Kommentar
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Lokalpatriotismus hilft nicht weiter

Paris hat die Bewerbung um Aufnahme ins Unesco-Weltkulturerbe vertagt, und in Bremen schlägt die Stunde der Interpretationen: Haben wir es mit einer Absage auf Raten zu tun – oder ist das „Glas halb voll“, wie Bürgermeister Henning Scherf verkündet?

Der Senat jedenfalls gibt sich optimistisch – kein Wunder. Denn: Der Listeneintrag brächte zwar keine Unesco-Mittel nach Bremen, aber Touristen – also Geld auf zwei Beinen. Und er wäre Publicity für Bremen als potentielle „Kulturhauptstadt Europas“.

Trotzdem muss man begründete Zweifel hegen, dass Bremen einfach nur weiter im Dornröschenschlaf liegt – und nächstes Jahr von Prinz Unesco endgültig wach geküsst wird. Nicht, dass es an der Schönheit unseres Rathauses läge. Oder an der tatsächlich spannenden Demokratiegeschichte, die sich im Markt-Ensemble spiegelt. Aber: Dass das alles (noch?) kein Welterbe im Sinne der Unesco ist, kann niemanden überraschen.

Ein nüchterner Blick auf die bisherige Welterbe-Liste zeigt, dass es dort an mittelalterlichen Gemäuern nicht gerade mangelt. Außerdem fordern die neue Unesco-Statuten – völlig zu Recht – das Übergewicht der europäischen Eintragungen zu Gunsten anderer Kontinente zu verringern.

Deswegen muss Bremen nun den bescheideneren Weg einer Erweiterungs-Bewerbung einschlagen: also an die Unesco-Städte Wismar und Stralsund andocken. Es wäre im wahrsten Sinne des Wortes weltfremd, jetzt ausschließlich am eigenen „Kirchturm“ – also Rathausdach – als Angelpunkt der Unesco-Ambitionen festzuhalten.

Henning Bleyl