„Das ist ein Schnäppchenpreis“

Der Preis für die GSW spiegelt nach Ansicht von Hartmann Vetter vom Berliner Mieterverein nicht annähernd den wahren Wert wider. Betroffene Mieter müssten sich daher vor allem vor Weiterverkauf zum wahren Wert fürchten

taz: Herr Vetter, der Senat verkauft die GSW an das amerikanische Investment-Unternehmen Cerberus. Wie gefährlich wird es für die Mieter?

Hartmann Vetter: Keine Sorge. Die Häuser werden nicht zusammenbrechen. Aber es werden neue Zeiten anbrechen.

Gute oder schlechte?

Der Verkauf kann von Vorteil sein. Private Vermieter haben in der Regel ein strengeres Betriebskosten-Management, was häufig zu geringeren Nebenkosten führt.

Das klingt doch ganz gut.

Ja. Aber private Investoren sind in erster Linie daran interessiert, dass sich ihr eingesetztes Kapital rentiert. Ob sie dabei Wohnungen kaufen oder Öl oder Getreide ist egal. Sie werden versuchen rauszuholen, was rauszuholen ist. Cerberus verspricht sich offenkundig eine hohe Rendite, obwohl der Wohnungsmarkt eher schwach ist. Aber das liegt an dem günstigen Kaufpreis.

Was heißt das für die Mieter?

Es kann Mieterhöhungen geben. Aber am meisten fürchten wir, dass der Investor Wohnungen und Häuser zum tatsächlichen Marktwert weiterverkauft.

Cerberus zahlt 405 Millionen Euro und übernimmt die Schulden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Ist bei diesen Summen noch viel Gewinn drin?

Das ist ein Schnäppchenpreis. Wenn man Kaufpreis und Schulden zusammenrechnet, bezahlt Cerberus im Schnitt für jede Wohnung nur 30.000 Euro. Mit einem Weiterverkauf mehrere zehntausend Euro Gewinn pro Wohnung einzustreichen dürfte nicht allzu schwer sein.

Wäre für den Senat mehr drin gewesen?

Sicher. Der Kaufpreis repräsentiert nicht annähernd den wirklichen Wert der GSW.

Cerberus gehören in Berlin knapp 7.000 Wohnungen. Welche Erfahrungen haben sie mit dem Investor als Vermieter gemacht?

Direkt noch keine. Aber mit der Firma Contest, die eng mit Cerberus zusammenarbeitet. Diese Erfahrungen gehören nicht zu den Besten.

Wie sehen die aus?

Die Wohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt und Kosten etwa für Satellitenanlagen aufgebläht.

Wie können sich die GSW-Mieter schützen?

Solange der Eigentümer nicht gewechselt hat, sollten die Mieter eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag verlangen, wonach eine Kündigung wegen Eigenbedarf und Hinderung wirtschaftlicher Verwertung sowie Luxusmodernisierung ausgeschlossen ist. Das schützt die Mieter auch, wenn Cerberus Wohnungen an Dritte weiterverkauft.

Finanzsenator Thilo Sarrazin hat versprochen, dass in dem Kaufvertrag alle Mieterrechte gewahrt seien?

Das hilft dem Mieter im Zweifel wenig. Ohne Zusatzvereinbarung hat er kein einklagbares Recht.

Was muss der Kaufvertrag erfüllen, damit die Mieter sich halbwegs sicher fühlen können?

Die Instandhaltung darf nicht verschleppt werden, Sanierungen nur in Abstimmung mit den Mieter, keine Kündigung wegen Eigenbedarf oder Verkauf, und bei Weiterverkauf soll der Mieter das Vorkaufsrecht haben. Das alles muss einklagbar sein.

Waren sie oder andere Mieterverbände in die Verhandlungen eingebunden?

Nein. Wir fordern seit längerem, zumindest Einsicht in die Verträge zu bekommen.

Hätte die GSW aus eigener Kraft aus der Schuldenfalle kommen können?

Ja, sicher. Was ein Privater kann, könnte die GSW mit entsprechendem Management auch.

INTERVIEW: THORSTEN DENKLER