Ausland wird Inland

Die „Jungle World“ reist für eine Sonderausgabe in den Kibbuz – zum Glück zahlt das die Bundeskulturstiftung

Es ist eine Tradition, die aus der Not heraus entstand: In der harten Anfangszeit der Jungle World hatten die Mitarbeiter keine Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren. Also packten sie im Sommer 1998 ihre Rechner und Handys ins Auto, fuhren nach Dänemark – und kombinierten Arbeit mit Erholung. Der Sondernummer Dänemark folgten Polen, Italien, Kroatien, Frankreich und Tschechien.

Am 6. Juni tritt die 15-köpfige Redaktion ihre siebte Reise an: es geht für zwei Wochen in einen Kibbuz in der Nähe Jerusalems. Vor Ort wollen die Redakteure eine aktuelle Wochenzeitung produziere. Schwerpunkt: Kultur und Leben junger Israelis. Jungle World will die Perspektive der israelischen Linken „aufnehmen und spiegeln“, aber auch nicht-israelische Themen aus Sicht der dort ansässigen Autoren und Fotografen darstellen. „Beiträge von Jungle World-Redakteuren kommunizieren und kollidieren mit Texten israelischer Autoren“, sagt Feuilletonchefin und Projektleiterin Heike Runge. So wird aus dem Inlands- das Auslandsressort und umgekehrt. Geplant sind unter anderem eine Fotoserie mit dem Titel „trying to be 20 in Jerusalem“, ein Porträt über die Musikszene von Tel Aviv, eine Reportage über weibliche Panzerfahrerinnen, eingeschlossene palästinensische Dörfer und das multikulturelle Leben im „Kreuzberg von Tel Aviv“. Der Rest ist Überraschung – vor Ort ergeben sich immer spannende Geschichten, glaubt Runge.

Kühne Pläne, wenn man die wirtschaftliche Lage der Wochenzeitung und den finanziellen Aufwand einer außereuropäischen Reise bedenkt. Und anders als bei den Auslandsproduktionen der vergangenen Jahre, wird die Redaktion in dem Kibbuz technisch perfekt ausgestattet sein. Aber: Die Kosten für Flug, Unterkunft und notwendige technische Neuanschaffungen übernimmt die Bundeskulturstiftung. Bereits vor eineinhalb Jahren hatte die Jungle World einen Antrag auf Teilfinanzierung des Projektes „Reise nach Jerusalem“ gestellt und bewilligt bekommen. Ohne die Unterstützung der Bundeskulturstiftung könnte die Redaktion die Reise nicht finanzieren. Seit 2000 liegt die Auflage der Wochenzeitung bei 12.000. „Im letzten Jahr hatten wir arge Probleme und viele Aboverluste. Seit Anfang des Jahres hat sich die Lage stabilisiert, aber auf zu schlechtem Niveau“, sagt Geschäftsführer Stefan Rudnick. Er hofft, dass die Auflage der Sondernummer „deutlich über 20.000“ liegen wird. Die Israel-Ausgabe erscheint mit einem Umfang von 48 Seiten am 23. Juni 2004. BIRTHE WENGE