In der Regel eine Zeitung

Mit der Pressevielfalt in Deutschland ist es nicht weit her, wie zahlreiche „Einzeitungskreise“ zeigen. Clements Entwurf zum Pressefusionsrecht, der heute durchs Kabinett soll, macht’s noch schlimmer

von STEFFEN GRIMBERG

Was ist der Unterschied zwischen dem Bundesverband der Zeitungsverleger und den Grünen? Im Moment gar keiner, jedenfalls wenn es um die umstrittenen Änderungen des besonderen Kartellrechts für die Presse geht, die heute im Bundeskabinett durchgewunken werden sollen. Man ist intern zerstritten.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat die Neufassung der Paragraphen 35 bis 38 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (WBG), Kartellrecht im normalen Sprachgebrauch, vorgelegt. Auf Anregung der großen Verlage, man könnte auch sagen: auf deren Druck. Und gegen das Votum des Kartellamts, das für den Fall der Umsetzung eine neue Konzentrationswelle im deutschen Zeitungsmarkt vorhersagt.

Entsprechend haben viele kleine und mittlere Zeitungsverlage, die dann geschluckt werden könnten, Bauschmerzen. Doch im Verlegerverband haben sich die Branchenriesen von Springer bis Holtzbrinck durchgesetzt: Im Grundsatz begrüßt der BDZV den Clement-Vorschlag.

Für die Grünen haben die medienpolitische und der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Grietje Bettin und Werner Schulz, laut und deutlich gesagt, was sie von Clements Kartell-Entwurf halten – nämlich nichts. Doch Staatssekretär Rezzo Schlauch, heißt es, halte zum Wirtschaftsminister.

Clement hat stets betont, hier auf Wunsch der Verlage tätig geworden zu sein. Sein Entwurf sieht vor, Anzeigenkooperationen – also praktisch gemeinsame Anzeigenteile verschiedener Blätter – generell zu erlauben. Auch komplette Fusionen müssten nur noch dann beim Kartellamt zur Prüfung angemeldet werden, wenn die Umsatzwerte der beteiligten Firmen 50 Millionen Euro (bisher: 25 Millionen Euro) übersteigen. Unter bestimmten Umständen sind sogar marktbeherrschende Stellungen bis hin zum Monopol erlaubt – wenn zwar ein Titel verkauft, der Verkäufer aber als Minderheitspartner mit gesetzlich verbrieftem Einfluss beim neuen Unternehmen an Bord bleibt. Vor allem diese Passage, deren praktische Umsetzung in der Branche allseits für unmöglich angesehen wird, sorgt für Zündstoff.

Denn der Wirtschaftsminister will die Vielfalt der Zeitungslandschaft sichern helfen, indem er den durch Werbe- und hausgemachte Krisen gebeutelten Verlagen die Zusammenarbeit bis hin zum Zusammenschluss erleichtert. – Eine merkwürdige Form von Vielfaltspflege.

Zumal es mit der viel beschworenen großen Auswahl an deutschen Zeitungen längst nicht mehr so weit her ist: Zwar erschienen 2003 laut BDZV stolze 349 Tageszeitungen in Deutschland. Das Rückgrat, 331 Titel, bilden die klassischen Regional- und Lokalblätter. Doch gerade in der Region, aber auch in vielen Städten kann von lokaler Vielfalt längst keine Rede mehr sein: In 299 Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten (von 443) gab es schon bei der letzten Erhebung 2001 nur noch eine (Monopol-)Zeitung am Ort. Der „Einzeitungskreis“ ist vor allem in Nord- und Ostdeutschland nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Kommt es zur weiteren Pressekonzentration durch ein neues Kartellrecht, wird aus der Presseviel- endgültig Einfalt. Wie das aussieht, präsentiert die taz ab heute: Täglich ein exemplarischer Einzeitungskreis!