Ein Bundespräsident wurde gewählt, ein ehemaliger Nazirichter wählte mit
: Horst Köhler – nicht mein Präsident

betr.: „Neuer Präsident heißt Bingu Mutharika“, „Hatten wir alles schon“, „Statt einer intellektuellen Führung nur ein Verschleiß notwendiger Anregungen“, „Wachwechsel in den Köpfen“ und weitere Artikel, taz vom 24. 5. 04

Herrlich! Schon lange habe ich am frühen Montagmorgen nicht mehr so gelacht. Der Aufmacher und der dazugehörige Kommentar haben wunderbar die ganze peinliche Beliebigkeit „unserer“ Wahl demonstriert. Und auch wenn über die Wahl einer Gesine Schwan wohl ganz anders von euch berichtet worden wäre: noch mehr so fröhliche Wochenanfänge, und die Überführung meines Probeabos in ein reguläres ist so vorhersehbar wie die Bundespräsidentenantrittsrede. OLIVER LANDWEHR, Köln

Der Kommentar von Dominic Johnson ist ein journalistisches Husarenstückchen. Aber was beweist es, dass man die Wahl des deutschen Bundespräsidenten mit denselben Worten beschreiben kann wie die des malawischen Staatsoberhaupts? Immerhin ist es eine wirklich gelungene Anregung, die scheinbar so unterschiedlichen politischen Systeme unter dem Gesichtspunkt ihrer Ähnlichkeiten zu betrachten. SASCHA MANTSCHEFF, Windeck

Die Wahl Köhlers spiegelt doch nicht „die Abkehr der bundesrepublikanischen Gesellschaft von der linken Mitte wider“. Die nämlich hatte keine Wahl. Sie spiegelt lediglich die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, also den Ländern wider. Nicht mehr und nicht weniger! KURT DAVID, Pfinztal

Nun ist’s so weit: Der aus der Zweckehe dieses Achtzehner-Humunkulus Westerwelle mit der Kungelschwester Machtmurkel hervorgegangene Präsident ist gesalbt. Nehmen wir die beiden Typen aus Bayern hinzu und die aus Hessen, haben wir einen tragfähigen Grundstock für eine fast so schöne, Vertrauen einflößende, intelligente und verantwortungsvolle Regierung, wie es die in Washington ist. OLIVER NECKER, Vero Beach, Florida, USA

„Nicht vergessen“, damit bin ich groß geworden. Für mich mit meinen 41 Lebensjahren ist es ein Schlag in mein Gesicht, dass die CDU sich in eine Reihe mit den Braunen stellt, indem sie einen alten Nazirichter erneut ausgräbt. Welch Hohn für die Opfer der Nazidiktatur und welch später Erfolg für Hitler. Es scheint mir doch so, dass in der CDU der 1.000-jährige Zeitgeist des 1.000-jährigen Reiches eine beständige Heimstatt gefunden hat. URSUS SCHMIDT, Stuttgart

Mit etwas Hoffnung habe ich die Bundespräsidentenwahl verfolgt. Doch leider ist unser neuer Präsident nicht weiblich; Hotte Köhler hat das Rennen gemacht. Horst Köhler – mit Sicherheit nicht mein Präsident. Ein Mensch, der keine Taten auf seine kritischen Worte folgen ließ, obwohl er an der Spitze des Machtapparats des IWF stand. Es ist schon befremdlich, wenn er in seiner Amtsantrittsrede davon spricht, dass die Globalisierung den Armen dieser Welt zugute kommen muss, und er eben keinen Beitrag dazu geleistet hat, obwohl er die Chance dazu hatte. JOHANNES SOMMER, Freising

In der Tat hatten wir das schon: wiedergekäute Vorurteile gegen Exbundespräsident Heinrich Lübke. Zugegeben: Er war für den Job der falsche Mann zur falschen Zeit – aber muss man auch noch 40 Jahre später immer wieder Vorurteile wiederkäuen, die durch keine Fakten zu erhärten sind? Vor Monaten behauptete taz-Schreiber Stefan Reinecke Falsches über Lübkes Rolle als Baumeister in KZs – die er Tage später widerrief. Nun zitiert Patrik Schwarz „den Satz, der ihn bekannt machte“ – und der nachweislich nicht von ihm ist. Muss die taz auf diesem niedrigen Niveau mitmachen? Mir ist etwas ganz anderes bei der Köhler-Wahl aufgefallen: Ist es nicht geradezu ausländerfeindlich, wenn „unsere“ Top-Politiker immer wieder Umlaute in ihren Namen führen? Lübke, Schröder, Müntefering, Köhler: Wer in der Welt außer den Türken kann so was schreiben oder gar aussprechen? WERNER PIEPER, Löhrbach im Odenwald

Bei Carl Carstens haben sich damals auch alle gegruselt. Und? Hat er je was gemacht? Geändert? Hat das in den letzten Jahrzehnten je ein Bundespräsident? Hat man irgendwas von Bruder Johannes gehört, bevor er nun dieses Frühjahr mit salbungsvollen Reden auf sich aufmerksam machte? Ist nicht die Aufgabe der Bundespräsidenten, am besten gar nicht präsent zu sein und möglichst leise zu treten? Also bitte. Lasst Hotte in Ruhe … (grins) BARBARA KIRSCH, Lüneburg

„Horst Köhler? Fragen Sie die Argentinier“, taz vom 19. 5. 04

Sehr guter Artikel – zum Beispiel der Satz: „Studien der UNO beispielsweise zeigen, dass die ärmsten Entwicklungsländer nur noch ärmer wurden, wenn sie die Ratschläge des IWF befolgten.“ Noch genauer wäre: Manchmal stieg das BSP (Wirtschaftswachstum), aber die Armen des Landes wurden gleichzeitig noch ärmer, profitiert haben vor allem die Reichen und Teile der Mittelschicht, zum Beispiel in Kenia. Zu den Kritikern, die darauf lange hinweisen und (innerhalb des Marktmodells) konkrete Vorschläge zu gerechteren Veränderungen machen, gehört auch der Ökonomienobelpreisträger Amartya Sen („Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität“, München 2002). BERNHARD WAGNER, Rostock

betr.: „Gott als Motor für lahme Wirtschaft“, taz vom 25. 5. 05

Ihre Kommentare der letzten Wochen über „Hotte“ habe ich mit Schmunzeln verfolgt. Diese Kommentare waren immer mit Häme übersät. Warum eigentlich? Weil er kein Sozen-Kandidat war? Passte er nicht in Ihr linkes Denkschema? Jedenfalls bin ich davon überzeugt, trotz Ihrer Unkenrufe, dass wir einen hervorragenden Fachmann, Gott sei dank keinen Politiker, als Bundespräsidenten gefunden haben. Bruder Johannes können Sie sich abschminken. Der hat in fast 25 Jahren als Ministerpräsident in NRW nichts Gescheites bewirkt. Auf seine pastoralen Reden konnten wir hier in NRW ebenso wie in Berlin verzichten. RAINER SCHÜTZE, Düsseldorf

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