Vorzeige-Hispanic und mögliches Bauernopfer

Generalleutnant Ricardo S. Sanchez soll als Oberkommandierender der US-Truppen im Irak abgelöst werden

Berichte über Pläne zu seiner Ablösung als Oberkommandierender der US-Truppen im Irak sind vom Pentagon am Montag noch offiziell dementiert worden. Solche Spekulationen seien unverantwortlich, sagte ein Sprecher. Doch gestern zitierten verschiedene US-Medien anonyme Pentagon-Mitarbeiter, denen zufolge in der Tat ein Nachfolger für Generalleutnant Ricardo S. Sanchez gesucht wird.

Mit dem Folterskandal im Bagdader US-Militärgefängnis Abu Ghraib, für den Sanchez vergangene Woche vor dem US-Senat offiziell die Verantwortung übernahm, hätte die Ablösung nichts zu tun, behaupten die zitierten Pentagonquellen. Vielmehr sei diese eine Routineangelegenheit. Denn Sanchez, Jahrgang 1953, habe seinen jetzigen Posten schon seit 13 Monaten.

Nach der ursprünglichen Pentagonplanung sollte Sanchez laut New York Times aufsteigen, einen vierten Generalsstern bekommen (was bisher erst ein Hispanic in den USA schaffte) und Chef des für Lateinamerika zuständigen Südkommandos der US-Streitkräfte in Miami werden. Danach sieht es jetzt nicht mehr aus, vielmehr sei unklar, wohin er wechseln werde, so das Blatt.

Die Sterne des bisherigen Vorzeigegenerals sinken, vielmehr könnte er jetzt zum Bauernopfer der Bush-Regierung werden. Sanchez behauptete vergangene Woche vor dem Senatsausschuss, erst im Januar von den Misshandlungen in Abu Ghraib erfahren zu haben. Die von der Washington Post zitierte schriftliche Aussage eines Militäranwalts, wonach Sanchez bereits zuvor von den Misshandlungen wusste und sogar bei einigen von ihnen dabei war, machte offenbar trotz Dementi Eindruck. Auch interne Berichte, laut deren Sanchez in einigen Fällen die Einschüchterung von Gefangenen durch Wachhunde, übermäßigen Lärm und Schlafentzug genehmigte, dürften ihm trotz seiner gegenteiligen Aussage geschadet haben.

Egal, was Sanchez wusste oder billigte: Niemand bestreitet die auf Fotos dokumentierten Fälle, für die Sanchez als Oberkommandierender die Verantwortung trägt. Und schließlich hatte er dem Militärgeheimdienst die Zuständigkeit für Abu Ghraib übertragen.

Noch im vergangenen Jahr war Sanchez in den USA zum „Hispanic des Jahres“ gewählt worden. Als zurzeit höchstrangiger Nachkomme lateinamerikanischer Einwanderer in den US-Streitkräften galt er als erfolgreiches Beispiel für einen Aufstieg aus armen Verhältnissen. Sanchez’ Großvater war von Mexiko nach Texas emigriert. Während Sanchez Eltern noch arm geblieben waren, schaffte der ehrgeizige Junge mit Hilfe eines Stipendiums des Militärs den Sprung an die Universität, wo er 1973 in Mathematik und Geschichte abschloss. Seine Karriere in den Streitkräften brachte ihn nach Panama, Südkorea, Deutschland und bereits beim Krieg 1991 in den Irak. Damals wurde er zum Helden, weil das von ihm befehligte Bataillon die Stadt Basra ohne eigene Verluste einnahm.

SVEN HANSEN