Ein politisches Zeichen an die PKK

Ein Gesetz, das PKK-Kämpfern bei Abgabe ihrer Waffen Straffreiheit zusichert, soll jetzt vom türkischen Parlament verabschiedet werden. Damit kommt Ankara den USA entgegen, die auf eine Rückkehr der Kurden aus dem Nordirak in die Türkei drängen

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

„Wir geben der türkischen Regierung noch Zeit bis zum 1. September. Wenn es bis dahin keine substantiellen Angebote an das kurdische Volk gibt, werden wir erneut um unsere Würde kämpfen.“ Mit dieser Erklärung reagierte Murat Karayilan, ein führender Sprecher der ehemaligen kurdischen Arbeiterpartei PKK auf ein Gesetz zur „gesellschaftlichen Rehabilitation“, mit dem die türkische Regierung einen großen Teil ehemaliger PKK-Kämpfer von dem Bergen herunterholen will. Das Gesetz soll Anfang kommender Woche im Parlament verabschiedet werden. Es wird im Gegensatz zu früheren „Reuegesetzen“ einfachen PKK-Militanten, die nicht selbst an Kämpfen gegen Soldaten oder Polizisten beteiligt waren, Straffreiheit zusichern, wenn sie ihre Waffen niederlegen.

Dieses Amnestiegesetz ist der erste Versuch der neuen türkischen Regierung, auf den schwelenden Konflikt mit den kurdischen Rebellen politisch zu reagieren. Seit PKK-Chef Abdullah Öcalan nach seiner Verhaftung im Frühjahr 1999 einen einseitigen Waffenstillstand verkündete, zogen sich die meisten PKK-Kämpfer in den Nordirak zurück.

Schon vor dem Irakkrieg und erst recht nach dem US-Sieg, ist die PKK-Präsenz im Nordirak ein Streitpunkt zwischen der Türkei und den USA. Ankara erwartet, dass US-Truppen gegen die PKKler vorgehen, die USA drängen auf eine politische Lösung.

So gab Außenminister Abdullah Gül vor der AKP-Fraktion zu, dass man über die Grundzüge des Gesetzes auch mit den amerikanischen Freunden geredet habe. Der Hintergrund ist klar: Die US-Militärs haben kein Interesse, sich im Nordirak mit der PKK anzulegen und drängen auf eine großzügige Amnestie, die möglichst vielen PKK-Kämpfern die Option auf eine Rückkehr in die Türkei eröffnet. Von den rund 5.000 Kämpfern im Nordirak könnten nach Schätzungen von Innenminister Abdulkadir Aksu rund die Hälfte durch das neuen Gesetz straffrei gestellt werden. Andere, die in Kämpfe verwickelt waren, sollen einen Strafnachlass bis zu zwei Dritteln bekommen, wenn sie über die PKK Informationen weitergeben. Die Führungscrew der PKK, einschließlich des Gefangenen Öcalan, bleibt dagegen von jeder Art Amnestie oder Strafmilderung ausgeschlossen.

Gegen dieses Gesetz macht nicht nur die PKK, sondern auch die legale kurdische Partei Dehap seit Wochen mobil. Die kurdischen Organisationen fordern eine Generalamnestie und die Möglichkeit für die ehemalige PKK, zukünftig in der Türkei legal arbeiten zu können. Für diese Forderungen hat die Dehap trotz Behinderungen durch die Polizei eine Million Unterschriften gesammelt, die sie am Mittwoch dem Petitionsausschuss des Parlaments übergeben hat.

Die Dehap fordert wie die PKK, dass der türkische Staat sich mit Vertretern der Kurden zusammensetzt und über eine gemeinsame Zukunft verhandelt. Der PKK-Führer Murat Karayilan beklagte im kurdischen Fernsehen MED-TV, dass kein Vertreter der türkischen Regierung je auf die PKK zugekommen sei. Als Vermittler schlägt er die Dehap oder auch US-Vertreter vor.

Dazu ist die AKP-Regierung so wenig bereit wie die Vorgängerregierungen. Auch wenn in der letzten Woche im Reformpaket zu EU-Annäherung kulturelle Zugeständnisse an die Kurden gemacht wurden – die PKK bleibt offiziell eine Terrororganisation, mit der man nicht verhandelt.