NRW FILMTIPP DER WOCHE

Die alte Frau auf der „Straße des Friedens“ heißt Tante Raja. Sie wurde in Österreich geboren, ging in der Tschechoslowakei zur Schule, bekam in Ungarn einen Sohn und war in der ehemaligen Sowjetunion Näherin. Den Lebensabend verbringt sie in ihrem kleinen Kiosk in der Ukraine und ist die wahre Mitteleuropäerin. Der Dokumentarfilm „Die Mitte“ (BRD 2004) sucht nach dem Zentrum Europas. Der polnische Filmemacher Stanislaw Mucha (“Absolut Warhola“) durchkreuzt dabei mit Kamerafrau Susanne Schüle den Kontinent. Auf ihrer Odyssee finden sie mehr als ein Dutzend Orte, die sich für das geographische Zentrum Europas halten. Hessische Gartenzwerge, Napoleon und Engel müssen herhalten, um dieser Behauptung Gewicht zu verleihen. Doch Mucha findet die Mitte Europas nicht. Die letzten Bilder zeigen zwei Schweizer, die sich mit einem Messgerät bewaffnet auf die Suche machen. Sie verschwinden langsam im Wald. Wahrscheinlich ist die Mitte doch da, wo der Hund begraben liegt. Die amüsante Suche erzählt vielmehr etwas über die Menschen und ihre Heimat, wo es noch Wunderheiler gibt, die Zucker als Liebesmittel verabreichen. „Susanna, Susanna, das Leben ist schön“, singt der alte Mann mit der zu großen rechteckigen Brille und fügt hinzu: „... nur nicht bei uns.“ (Filmstart in Essen) STEFAN ORTMANN