Polizeichef manipuliert

Erfurter Polizeidirektor greift in Prozess gegen Beamte ein, die in Hamburg Polizisten misshandelt haben sollen

HAMBURG taz ■ Die Vorwürfe gegen drei Polizeibeamte aus Thüringen, die im November auf einer Demonstration in Hamburg zwei Zivilkollegen aus Schleswig-Holstein misshandelt haben sollen, weiten sich zum Skandal um die Thüringer Polizeiführung aus. Am gestrigen zweiten Prozesstag vor dem Hamburger Amtsgericht ist bekannt geworden, dass der leitende Polizeidirektor der Landeshauptstadt Erfurt massiv Einfluss auf das Verfahren genommen hat.

Zum einen hat er die Angeklagten aufgefordert, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, woraufhin alle drei verhandlungsunfähig geschrieben wurden und nicht zum Prozess erschienen. Zum anderen hatte er deren Verteidiger am Vorabend telefonisch angewiesen, einen Befangenheitsantrag gegen den Richter zu stellen. Und: Einer der Verteidiger deutete an, dass der leitende Polizeidirektor „massiven Einfluss auf das Aussageverhalten meines Mandanten genommen hat“. Am Montag wird der Polizeidirektor darüber als Zeuge aussagen müssen.

Die Atteste über ihre Verhandlungsunfähigkeit, die die Angeklagten gestern vorlegen ließen, wertete der Richter als „Gefälligkeitsgutachten“. Dass sie von Amtsärzten ausgestellt worden sind, mache „die Sache besonders brisant“. Zuvor hatte ein Rechtsmediziner als Sachverständiger ausgesagt, dass die Gutachten nicht den Anforderungen an ein ärztliches Attest genügten. Alle drei hätten exakt den gleichen Wortlaut. Das spreche „gegen jegliche individuelle Untersuchung“.

Da die Angeklagten nicht erschienen waren, erließ das Gericht gegen sie Haftbefehl. „Ich lasse mich durch Ihre Mandanten nicht veralbern“, teilte der Richter den Rechtsanwälten mit.

ELKE SPANNER