Kein Geld für die Bahn

Experten warnen vor einer drohenden Abwärtsspirale beim öffentlichen Verkehr. Gefahr von kräftigen Preiserhöhungen bei Nahverkehrstickets

von GERNOT KNÖDLER

Die Lobby von Bus und Bahn hat den Bund und die Länder scharf für die von ihnen geplanten Kürzungen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und bei der Schiene kritisiert. „Sie scheinen erst der Anfang eines Enttabuisierungsprozesses in der Haushaltspolitik und einer Wende in der Verkehrspolitik zu sein“, sagte Günter Elste, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Chef der Hamburger Hochbahn bei der Jahrestagung des VDV gestern in Hamburg. Wenn nur noch der Bestand an Infrastruktur mehr schlecht als recht gesichert werden könne, so die Warnung der ÖPNV-Experten, drohe ein Verkehrskollaps.

Die Sorgen der Bus- und Bahnlobby gründen in den Subventionskürzungen, auf die sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat nach einem Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) geeinigt hat. Weil Investitionen in Schienenwege von Koch und Steinbrück als Subventionen gewertet werden, hätten dort 2004 gut 280 Millionen Euro weniger ausgegeben werden sollen. Die rot-grüne Bundesregierung übertrug die Hälfte der Sparlast auf die Straße und fünf Prozent auf die Wasserstraße, sodass die Schiene mit 129 Millionen Euro weniger auskommen muss.

Sollte es ähnliche Kürzungen in den kommenden Jahren geben, werde das zu einem Desaster führen, sagte Dieter Wellner von der Verkehrsabteilungsleiterkonferenz der Länder. „Wir werden einen vollständigen Zusammenbruch der Verkehrsinvestitionen erleben“, prophezeite er. Lediglich bestehende Schienenwege könnten erhalten werden. „Wir müssen uns auf ein Auftragsniveau einrichten, das bei zwei Dritteln des heutigen Volumens liegt“, sagte Friedrich Smaxwil vom Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB). Ein Fünftel der 40.000 Arbeitsplätze sei gefährdet.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Angelika Mertens (SPD), verwies dagegen auf die vielfältige Förderung der Schiene durch die Bundesregierung. Seit 1998 habe sie Terminals für den Umschlag von der Straße auf die Schiene mit 219 Milliarden Euro gefördert. Private Gleisanschlüsse würden auf fünf Jahre mit insgesamt 160 Millionen Euro bezuschusst. Drei Jahre lang unterstütze der Bund den Markteintritt neuer Firmen im kombinierten Verkehr Straße/Schiene mit jeweils 15 Millionen Euro.

Elste kritisierte die für die kommenden Jahre geplanten Kürzungen der staatlichen Zuschüssen bei Tickets für Schüler, Lehrlinge und Schwerbehinderte sowie Jobtickets. Schülerkarten könnten bis zu 30 Prozent teurer werden, warnte Elste. Umgelegt auf alle Tickets seien Preiserhöhungen zwischen sechs und elf Prozent möglich. Hiervon betroffen wären besonders ländliche Gegenden, wo sich öffentliche Verkehrsverbindungen zum großen Teil durch den Schülerverkehr tragen.

Herbert Baum vom Institut für Verkehrswissenschaft der Uni Köln schlug vor, angesichts der Haushaltslöcher nicht nur die Fahrgäste, sondern auch andere Nutznießer des Öffentlichen Verkehrs zahlen zu lassen: Handel, Industrie, Immobilienbesitzer, Autofahrer.