polizei hilft mädchen
: Das Böse lauert überall

„Ich ging letzte Nacht so gegen zwei Uhr durch den Ottopark. Da kamen mir sieben Typen entgegen und meinten so: ‚Na, du Schnecke‘, ja und dann haben sie mich geschubst und mir alles abgezogen.“ Pia ist in ihrem Element. Die 16-Jährige entwirft eine fiktive Raubsituation, die sie beim Selbstbehauptungstraining einem Polizisten im Rollenspiel schildert. In der nachgestellten Polizeiamtszene übernimmt Nikolai Grommisch die Rolle des Beamten, der die Anzeige aufnimmt.

Für Grommisch ist das ein leichtes Spiel, ist er doch Opferschutzbeauftragter der dritten Polizeidirektion. Gemeinsam mit „Kick“-Mitarbeiterin Nina Penzlin startete er am Montag das Pilotprojekt für sieben Mädchen der Klassen acht und zehn der Moses-Mendelssohn-Gesamtschule. Das Sportprojekt Kick wendet sich schon seit 13 Jahren an junge Kriminelle. Immerhin wurden 95 Prozent der straftätigen Jugendlichen nicht rückfällig. Nach diesem Vorbild ist es Ziel des dreitägigen Trainings, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen in kritischen Alltagssituationen zu steigern und ihnen Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

Die 13- bis 17-Jährigen wurden von ihren Klassenlehrern ausgewählt und hatten „sofort Lust, mitzumachen“, erzählt Pia. „Die Lehrer haben diejenigen von uns angesprochen, die bei Diskussionen in der Klasse eher ruhiger sind. Gerade diese Mädchen sollten lernen, sich besser durchzusetzen.“ Klar, dass Pia die Idee begeistert aufnimmt, immerhin hat sie schon einige Situationen erlebt, in denen sie „besser nicht still geblieben wär“. Zum Beispiel in der U-Bahn. „Wenn man dort angemacht wird, sollte man Leute direkt ansprechen, und um Hilfe bitten“, erzählt Steffi aus der Achten. „Solche Situationen kennen wir hier alle.“ Und gelernt haben die Mädels schon einiges – etwa dass das Böse nicht immer nur im Park, sondern manchmal selbst in Amtsstuben lauert.

Diesmal spielt Grommisch einen unfreundlichen Polizisten, dem eines der Mädchen die gleiche Situation schildert, die Pia sich ausgedacht hatte. „Na, hörn Se mal, sie sind erst 16. Was haben Se denn um zwei Uhr nachts im Park verlorn?“ Das Mädchen entscheidet kurz entschlossen: „Wissen Sie was, ich geh jetzt.“ Die beiden Trainer sind begeistert von der Reaktion. Dennoch hat die Schülerin versäumt, sich die Dienstnummer des Polizeibeamten zeigen zu lassen, was Penzlin anmerkt. Der Polizist Nikolai Grommisch stimmt zu: „Wenn ein Polizist zu dreist wird, solltet ihr ihn anzeigen.“

Kurz vor der Abschlussfeier am dritten Projekttag sind die beiden Trainer durchaus zufrieden mit dem Ergebnis. „Meine Erwartungen sind tatsächlich erfüllt worden. Alle haben super mitgemacht“, freut sich Grommisch. Penzlin ergänzt: „Nur schade, dass wir nicht wissen können, ob die Mädchen das, was sie hier gelernt haben, auch im Alltag umsetzen.“

Doch da kann Pia sie beruhigen. Der Schülerin hat vor allem das Selbstverteidigungstraining gut gefallen. Die dort gelernten Handgriffe hat sie noch am selben Tag ihren Freunden gezeigt. „Die fanden’s natürlich toll, dass ich schon so viel gelernt und auch behalten hab. Sogar die Jungs.“ Und nicht nur das individuelle Selbstwertgefühl wurde hier trainiert, auch das Gemeinschaftsgefühl ist stärker geworden. „Anfangs saßen die Mädchen nach Schulklassen getrennt, jetzt sitzen alle durchmischt“, beobachtet Grommisch. Und Pia fasst noch mal zusammen: „Was ich verstanden hab und auch meiner Klasse weitergeben werde, ist, dass wir gemeinsam viel stärker sind und mehr erreichen können.“BRITTA KUCK