Produktive Innenansichten

Einer der wenigen Orte, an denen Schriftsteller das Programm maßgeblich mitgestalten: Das im Literaturhaus residierende Literaturzentrum, das manchen Autor lange vor den Feuilletons entdeckte

von CAROLA EBELING

Müsste das achtköpfige Team des Literaturzentrums e. V., kurz LIT, sich auf einen prägnanten Satz über das Spezifische seiner Arbeit einigen, würden wohl alle dem ihrer Ersten Vorsitzenden, der Schriftstellerin Jutta Heinrich, zustimmen: „Ich sehe unseren Vorteil und auch die Abgrenzung zu vielen anderen darin, dass wir selbst, die wir das Programm gestalten, Künstler, Schreibende sind.“

In der Tat gibt es heute kaum noch literarische Veranstalter, bei denen die SchriftstellerInnen selbst maßgeblichen Einfluss ausüben. Anders als in den größeren Literaturhäusern ist der Vorstand beim LIT zugleich Programmleitung und besteht ausschließlich aus AutorInnen, die in ihren Tätigkeiten all jene Genres abdecken, die das LIT in seinen Veranstaltungen präsentiert: Prosa, Lyrik, Krimi, Essay, Biographie, Dreh- und Sachbuch. Die eigenen künstlerischen Erfahrungen ermöglichen eine „Innenansicht“, wie es der Roman- und Drehbuchautor Alexander Häusser formuliert, „aus der heraus wir auch einen Text als hervorragend beurteilen können, der die Öffentlichkeitswirkung noch gar nicht erfahren hat.“

Die Entscheidungsfindungen sind das Ergebnis intensiver Diskussionen und Lektüren – der Bücher selbst, weniger der Feuilletons. Diese gemeinsame leidenschaftliche Suche hat schon zu manch früher „Entdeckung“ geführt: So las Durs Grünbein bereits im LIT, nachdem er aus Klagenfurt ohne jede Auszeichnung heimkehrte, Herta Müller, lange bevor sie den Kleist-Preis erhielt, und auch Feridun Zaimoglu war mit seinem ersten Buch hier zu Gast. Erst später ging es dann auf Lesereise durch Deutschlands Literaturhäuser.

In Hamburg ist das der Zeit-Stiftung gehörende Haus am Schwanenwik 38 der Sitz sowohl des Literaturhaus-Vereins als auch des Literaturzentrums – ein Umstand, der zuweilen bei Gästen zu Verwirrung führt. Umso wichtiger, dass man sich nicht als Konkurrenz versteht, zuweilen auch kooperiert und doch auf die eigene Profilierung des Programms achtet. Letztlich, so Katharina Höcker, Lyrikerin und Zweite Vorsitzende des LIT, profitierten beide Veranstalter voneinander, da das Literaturhaus als literarischer Ort durch die Bandbreite beider Programme an Anziehung gewinne.

Seit der Gründung des LIT 1973 hat die Zahl der Veranstaltungen stetig zugenommen: Inzwischen werden ein Drittel der im Literaturhaus stattfindenden Lesungen vom LIT präsentiert, das sind etwa 40 im Jahr. Anders als der große Nachbar entfernt man sich des Öfteren von der Außenalster, um an einem dem Thema angemessenen Ort auch ein Publikum versammeln zu können, das den Weg ins Literaturhaus eher selten findet. Es gibt so viele verschiedene Orte wie Kooperationspartner, zum Beispiel das Institut Français, das Amerika-Zentrum, die Heine Buchhandlung und das Metropolis. Diese enge Zusammenarbeit mit Institutionen wie auch Verlagen ist das Verdienst von Heidemarie Ott: engagierte Geschäftsführerin und Pressefrau in einer Person. Zudem prägen die Veranstaltungsreihe Neue Bücher Hamburger Autoren/innen sowie die Organisation von Schullesungen das Profil des LIT als Förderer auch regionaler Literatur. Egal aber, ob internationale oder hiesige SchrifstellerInnen vorgestellt werden – viele BesucherInnen wissen die ebenso professionelle wie herzliche Atmosphäre während der Lesungen und die sorgsam ausgesuchte Moderation sehr zu schätzen.

Finanziell möglich ist dies alles aufgrund einer institutionellen Förderung der Kulturbehörde und mit den Beiträgen der Mitglieder – als solche heißt das LIT alle Kunst- und Literaturinteressierten herzlich willkommen.