Doch nicht alles gut gegangen?

Ein Freizeitprojekt hilft Kindern, mit den psychischen Folgen von ‚leichten‘ Unfällen fertig zu werden.Denn das schlimme Ereignis kann Kinder nachhaltig verstören

taz ■ Wenn ein Kind bei einem Unfall im Straßenverkehr – ob als Fußgänger, Radfahrer oder Beifahrer – mit leichten Verletzungen davonkommt, sind die Eltern erst mal erleichtert. Verständlich. Aber oft brauchen Kinder trotzdem lange Zeit, um das Erlebnis zu verarbeiten. Und keiner merkt es. Denn: „Kinder sind Weltmeister im Verdrängen. Und Kleinere im Vorschulalter können noch gar nicht über das Erlebte sprechen“, sagt Stephanie Bürding vom Studiengang Behindertenpädagogik. Unterstützung nach dem Unfall sei aber sehr wichtig, so Bürding. Sie ist eine der Pädagoginnen, die das Projekt „Bewegung und Spiel für verunfallte Kinder“ betreut. Es wurde von der Rehabilitationseinrichtung Friedehorst, der Uni Bremen und der Polizei Bremen gegründet.

Immerhin verunglücken jährlich etwa 350 Kinder in Bremen. Die meisten von ihnen kommen mit leichten Verletzungen davon. Aber: Eine tiefe körperliche Verunsicherung lässt die Kleinen unsicher und ängstlich werden. „Manche Kinder bekommen Angstträume. Andere können sich im Unterricht nicht mehr konzentrieren“ beschreibt Bürding zwei mögliche Probleme. Manche „Unfall“-Kinder fürchten sich auch vor Rangeleien mit Schulkameraden oder wollen nicht mehr zum Sportunterricht. Als Verkehrsteilnehmer sind sie oft überängstlich. Doch während Kinder mit ernsthaften Verletzungen in Reha-Einrichtungen betreut werden, gibt es nur wenig professionelle Unterstützung für Kinder, die Unfallspätfolgen vor allem psychisch verarbeiten müssen.

Im Projekt „Bewegung und Spiel für verunfallte Kinder“ können die Kleinen durch Rollenspiele, Kennenlernspiele, Phantasiereisen in geschützter Umgebung wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten finden. „Trampolinspringen ist sehr beliebt. Da können die Kinder die Erfahrung machen: Ich werde beschützt, gehalten. Aber auch: Ich kann fliegen!“ sagt Sabine Müller, pädagogische Mitarbeiterin des Projekts. „Wir haben unsere Arbeit so konzipiert, dass ein Erfolgserlebnis für das Kind garantiert ist. So findet es wieder Vertrauen zu sich selbst.“ Im Vordergrund stehe aber nicht „Therapie“, sondern Freizeitpädagogik: Die Kinder sollen in erster Linie Spaß haben. Bei Bedarf gibt es Einzelbetreuung. Parallel dazu bietet die die Bremer Polizei ein Fahrradtraining an. Das wöchentliche Angebot ist kostenlos.

Das typische „unfallgefährdete Kind“ gibt es übrigens nicht. Aber, so Wilhelm Reincke, der das Projekt wissenschaftlich begleitet: “Kinder mit geringem oder mit übersteigertem Selbstbewusstsein sind eher gefährdet, Situationen falsch einzuschätzen.“ Katharina Müller

Für viele berufstätige Eltern ist es zu schwierig, die Kinder zum Freizeitprojekt an die Uni zu fahren. Deshalb suchen die Organisatoren noch dringend ehrenamtliche „Chauffeure“. Infos : Stephanie Bürding ☎331 2465, Richard Franken ☎ 62 39 08