berliner szenen Szenebarbecue

Stulpen an Nackensteak

Was unterscheidet ein Grillfest von einem Szenebarbecue? Es sind die Leute, es ist der Ort. Die Arkonahöfe lassen ein großes Viereck Himmel frei, graue Wolken ziehen darüber. Auf Tafeln an der sachlich weiß renovierten Hinterhoffassade steht „Sonarkollektiv“, „Flora und Fauna Lounge“ und „Drehscheibe Kinderpolitik“. Blüten in Aquarien, Sonnenblumen in Blecheimern säumen die Wege.

Das gastronomische Bildungswerk „Schildkröte“ hat ein Büfett aufgebaut. Es gibt Nackensteak, Kartoffelsalat, rote Grütze und Wraps, die Rolling Stones spielen „Miss you“, quengelnde Kinder wälzen sich auf dem Boden. Ein junger Mann im hellblauen Sommeranzug trägt seine Krücken wie ein modisches Accessoire, bei den Frauen scheint das dreijährige Kind als schmückendes Beiwerk schwer im Trend zu sein.

DJs veschiedener Clubgenerationen, die Mitabeiter eines berühmten, frisch geschlossenen Kleidergeschäftes und ehemalige Housegrößen haben lockere Aufstellung in der Hofmitte genommen. Die bekannte Szenestylistin erkennt man an ihrem besonders scheußlichen Outfit: Schirmmütze über Fransenkleid auf Pluderhose über ausgeleierten Stulpen auf grauen Humanastiefeln. Aber auch andere Modeverirrungen der letzten Jahre kann man hier noch einmal schön beobachten: die Nylonstulpe mit Fußsteg, die Pluderhose, den kurzen Faltenrock.

Der Wind frischt auf und weht den Nackensteakgeruch vorbei. Warum macht das Sitzen an Bierbänken in Hinterhöfen eigentlich immer so melancholisch? Letztes Jahr, erzählt jemand, sei das Fest so voll und wild gewesen, dass die Polizei kommen musste. „Carpe diem“, steht an der improvisierten Bar gegenüber. Einzelne schwere Tropfen fallen vom Himmel. CHRISTIANE RÖSINGER