Zwiespältige Bilanz

Chef der UN-Mission, Michael Steiner, verlässt Kosovo. Trotz einiger Erfolge sind die Menschen unzufrieden

SPLIT taz ■ Mit einem Fest verabschiedet sich der deutsche Diplomat Michael Steiner nach eineinhalb Jahren Tätigkeit als Chef der UN-Mission (Unmik) aus dem Kosovo. Der agile Diplomat, der anfänglich große Hoffnungen geweckt hatte, wird mit zwiespältigen Gefühlen von allen Bevölkerungsgruppen entlassen. Denn weder die albanische Mehrheitsbevölkerung noch die serbische Minderheit sind mit der Bilanz, die Steiner am Donnerstag dem Weltsicherheitsrat vorlegte, völlig zufrieden.

Bei seiner Abschlussrede in New York konnte Steiner dennoch einige Erfolge in dem seit 1999 von der UN als Protektorat regierten Land herausstellen. So habe sich die Stimmung verbessert. Hätten vorher beide Seiten nicht einmal miteinander gesprochen, seien jetzt Kontakte zwischen Belgrad und Priština sowie den einheimischen Serben und den Albanern geknüpft. 153 Albaner, die noch vor eineinhalb Jahren in Serbien im Gefängnis gesessen hätten, seien nun frei.

Kosovo habe seit 2002 ein Parlament, in dem alle Volksgruppen vertreten sind. Mit dem Rahmen einer Verfassung seien von allen Seiten acht Eckpunkte anerkannt, die zu einer funktionierenden Demokratie gehörten. Hätten vor seinem Amtsantritt mehr Menschen Kosovo verlassen als zurückgekommen seien, habe sich das Verhältnis umgekehrt. Auch in der geteilten Stadt Mitrovica habe die UN-Verwaltung Erfolge erzielt.

In der Tat hat sich die Sicherheitslage für die Bevölkerung wesentlich verbessert, wenngleich Belgrad nach wie vor grundlegende Rechte der Minderheiten als nicht verwirklicht ansieht. Mit dem vom ehemaligen UČK-Führer Hashim Thaci initiierten Aufruf aller politischen Kräfte der Albaner an die Minderheiten am letzten Dienstag, zurückzukehren und Kosovo zusammen mit den Albanern „als gemeinsame Heimat“ anzusehen, könnte psychologisch ein Durchbruch gelungen sein.

Die Albaner versprechen sich von dieser Initiative auch, dass damit die Chancen auf die Unabhängigkeit des Landes steigen. Bisher hat die Resolution 1241 den Status offen gelassen. Indem für das nächste Jahr Verhandlungen über den endgültigen Status aufgenommen werden sollen, sehen sie jedoch Licht am Ende des Tunnels. Eine Reintegration in den serbischen Staat ist für sie ausgeschlossen, während die Serben weiter darauf beharren.

Die wirtschaftlichen Probleme drängen. Mit offiziell 57 Prozent Arbeitslosigkeit sind die zwei Millionen Menschen großteils von der internationalen Gemeinschaft abhängig. Die ungelöste Statusfrage schafft Probleme mit dem Warenverkehr durch die angrenzenden Staaten, die UN-Ausweise und Autonummern werden nicht überall anerkannt. All dies verhindert Investitionen.

Hinzu kommt, dass Rückkehrer unter diesen Umständen kaum Chancen haben, eine Arbeit zu finden. Angesichts dieser Probleme ist der Posten eines Chefs der UN-Mission im Kosovo kein einfacher. Solange die Statusfrage nicht geklärt ist, können die nationalistischen Gefühle aller Seiten immer wieder angeheizt werden. Über die Nachfolge Steiners ist noch nicht entschieden, da die UN, die EU und die USA in dieser Frage noch uneinig sind. ERICH RATHFELDER

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