Im Namen der Army

Die US-Regierung will die ersten unter Terrorismusverdacht festgehaltenen Ausländer im Stützpunkt Guantánamo vor Militärtribunalen aburteilen

Es wird schwierig sein, Verteidiger zu finden – die Gefangenen tragen die Kosten selbst

aus Washington MICHAEL STRECK

Zum ersten Mal seit dem Afghanistan-Feldzug sollen sechs mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer vor ein US-Militärtribunal gestellt werden. Diese Entscheidung habe Präsident George W. Bush getroffen, teilte das Verteidigungsministerium am Donnerstag mit. Es gilt als sicher, dass es sich dabei zunächst um Gefangene auf dem US-Stützpunkt Guantánamo in Kuba handelt.

Zur Identität der sechs Verdächtigen und ihrem Aufenthaltsort machte das Pentagon jedoch keine Angaben. Es wurde lediglich mitgeteilt, es gebe ausreichend Hinweise, dass die ausgewählten Personen „in terroristischen Übungslagern aktiv“ gewesen und in „terroristische Aktivitäten, ihre Finanzierung und Rekrutierung“ verwickelt waren. Weder wurde über die genauen Anklagepunkte entschieden, noch sind Richter für die Prozesse benannt worden.

Bereits letzte Wochen waren Pläne bekannt geworden, dass Militärtribunale und die mögliche Hinrichtung von Häftlingen, die in Guantánamo interniert sind, vorbereitet werden. Ein Gebäude auf dem Militärgelände wird derzeit zum Gerichtsort umgebaut. Die Prozesse könnten bereits Ende des Sommers beginnen und würden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Nach Regeln, die vom Pentagon nach den Anschlägen vom 11. September aufgestellt wurden, muss der US-Präsident die Angeklagten, die für ein Militärtribunal in Frage kommen, formell benennen. Anschließend muss ein zweites Regierungsmitglied die Anklagen bestätigen. Hierzu wurde Pentagon-Vize Paul D. Wolfowitz ausgewählt. Er wird auch die zuständigen drei bis sieben Militärrichter je Verfahren auswählen.

Im Falle eines Prozesses hätten die Angeklagten theoretisch das Recht auf juristischen Beistand. Praktisch dürfte es schwierig sein, kompetente Verteidiger zu finden, müssen sie doch alle Kosten selbst tragen. Gegen ein Urteil kann vor keinem herkömmlichen Zivilgericht Berufung eingelegt werden, sondern lediglich vor einer anderen Militärkommission und dem US-Präsidenten. Dass der jedoch die Verurteilung einer Person aufhebt, die er selbst als besonders verdächtig ausgewählt hat, ist höchst unwahrscheinlich.

Die USA halten auf dem Stützpunkt Guantánamo immer noch 680 Terrorverdächtige aus 40 Nationen fest, die während des Afghanistan-Feldzuges als mutmaßliche Al-Qaida- oder Talibanmitglieder gefasst worden waren.

Menschenrechtsorganisationen haben die USA wegen der Haftbedingungen wiederholt scharf angegriffen. Die meisten der Gefangenen sitzen ohne Anklage in Isolationshaft. Die USA stufen sie als „feindliche Kämpfer“ ein und verweigern ihnen somit den Status als Kriegsgefangene. Sie haben keinen Anspruch auf einen Anwalt und dürfen keinen Besuch empfangen. Es wird davon ausgegangen, dass wegen Mangel an Beweisen letzlich nur wenige Gefangene in Guantánamo von einem Militärgericht abgeurteilt werden. 37 Häftlinge wurden bislang als unschuldig freigelassen. Weitere Entlassungen werden erwartet. Internierten, denen nicht der Prozess gemacht wird oder die nicht auf freien Fuß gesetzt werden, droht jedoch die unbegrenzte Haft. Bush hat angekündigt, sie so lange festzuhalten, bis der „Krieg gegen den Terror“ beendet sei – eine für Bürgerrechtler unhaltbare Situation.