Flüchtlingshelfer sehen schwarz

Gerade was der Kompromiss offen lässt, sei für Migranten existenziell, sagen ai und Pro Asyl – und beklagen, dass die Grünen außen vor bleiben sollen

VON HEIDE OESTREICH

Schwer enttäuscht sind Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen von der Einigung zwischen Regierung und Opposition zur Zuwanderung. Sie monieren vor allem den Vorrang der Sicherheitsaspekte vor der eigentlichen Zuwanderung: „Den Einwanderer erwartet kein berechenbares Punktesystem, sondern eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz“, so Flüchtlingsexperte Wolfgang Grenz von amnesty international zur taz. Die neuen „Sicherheitsaspekte“ seien zudem fragwürdig: Die „tatsachengestützte Gefahrenprognose“ für eine mögliche Abschiebung von Terrorverdächtigen sei ein zu vage formuliertes Rechtskonstrukt, sagt der ai-Fachmann. Oft sei der Rechtsweg zu kurz, es gebe nur eine Entscheidungsinstanz. Es gebe zudem Fälle, in denen die „Tatsachen“ zwar behauptet, aber nicht bewiesen werden müssten. Solche Dinge müssten im klein Gedruckten geregelt werden. An den Verhandlungen darüber seien aber die Grünen, denen die Bürgerrechte der Migranten am Herzen lägen, nun gar nicht mehr beteiligt.

Auch beim Flüchtlingsrecht sehen die Organisationen schwarz. Die „nichtstaatliche Verfolgung“ etwa soll zwar nach einer Europäischen Richtlinie als Bleibegrund gelten. Aber diese Richtlinie kann so restriktiv ausgelegt werden, dass als Verfolger immer noch ein „Quasistaat“ angenommen wird. Flüchtlinge aus Gegenden in Somalia, in denen kein staatsähnliches Gebilde mehr vorhanden ist, werden dann immer noch nicht anerkannt. Die Grünen hatten hier bisher eine „gerichtsfeste“ Definition gefordert. Jetzt wird in der Einigung nur auf die EU-Richtlinie verwiesen – die aber von der CDU restriktiv ausgelegt wird.

Auch das Problem der Kettenduldungen sei entgegen den Behauptungen von Union und SPD keinesfalls gelöst, meint Günter Burkhardt von Pro Asyl. Nach wie vor liege die Entscheidung über einen festeren Aufenthalt im Ermessen der Behörden und sei damit unsicher.

Gerade weil so viele Tücken des Zuwanderungsrechts im Detail liegen, sind die Hilfsorganisationen entsetzt darüber, dass weder Grüne und FDP noch der Bundestag an der weiteren Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt sein werden. „Für eine Demokratie ist es höchst problematisch, wenn Beschlüsse in einer Dreierrunde gefasst werden, die keine parlamentarische Legitimation besitzt“, meint Burkhardt. Auch Wolfgang Grenz von amnesty international ist der Ansicht, dass der Bundestag es nicht wagen wird, das Paket wieder aufzumachen, das Schily, Beckstein und Müller schnüren. Denn „die stünden dann als Bremser da“.