die laudatio (auszüge)
: „Ich war ein Gegenspieler“

Es war gewiss eine ungewöhnliche Überlegung, mich als Laudator für die heutige Ehrung der früheren Mitglieder des „Arbeitskreises Ostertorsanierung“ vorzusehen, war ich doch als damaliger Präsident des Senats ein keineswegs einflussloser Gegenspieler bei manchen Reaktionen des Arbeitskreises auf Veränderungsforderungen gegenüber den Planungskonzeptionen der Bauverwaltung.

Wenn ich trotzdem zugesagt habe, dann nicht, weil ich schmerzunempfindlich bin oder dem hehren Prinzip permanenten Vergebens huldige – nein das ist nicht so! – sondern weil der AKO Recht hatte und sich durchsetzen konnte und verhinderte, dass gewachsene Strukturen nicht einer heute als fragwürdig erkannten Massenwohnungsbaukonzeption geopfert wurden. Das ist der unbezweifelbare Verdienst des AKO. (...)

Wirklich angefangen hat die umstrittene Stadt- und Verkehrsplanung mit der „Allgemeinen deutschen Verkehrszählung“ von 1924 / 1925. In der Vorlage der „Stadt- und Landesplanung 1926 - 1930“ klang das so: die Belastungen „mit den Erschütterungen, dem Staub und dem Lärm schwerer Ferntransportlastzüge“ seien für die Innenstadt nicht mehr lange tragbar“. Daraufhin kam man 1930 zum Vorschlag der Entlastung der Innenstadt durch ein System von Fernstraßen und Weserbrücken.

„Umleitung der Lebensströme“ nannte dies damals der international anerkannte Stadtplaner Fritz Schumacher, ein Bremer, der als Oberbaudirektor das Gesicht Hamburgs positiv veränderte. (...)

Die Geschichte der Mozarttrasse und des Ostertorviertels lässt sich auch als Lehrstück über das Verhalten der Politik lesen, über stringentes Festhalten an einmal gefassten Beschlüssen oder auch an die nicht immer einfach herzustellende Bereitschaft, sich trotz aller Kontinuität dem inzwischen als besser Erkannten zuzuwenden. Etwas, was aus den Planungsstuben herausdrängt und die Teilnahme der Betroffenen am Planungsprozess fordert.

Autoritäten wie Fritz Schumacher, der damals für Köln und Hamburg Bedeutendes geplant hat, hatten doch vor 1933 das neue Verkehrskonzept für Bremen gutgeheißen, das in der Nazizeit dann konsequent weiterverfolgt wurde, von Bürgerbeteiligung war nie die Rede.

Die Nachkriegszeit hat es dann leider unbesehen übernommen und politisch legitimiert. In allen Phasen wurde, wie damals üblich, die Bevölkerung nicht gefragt, sondern der Ratschlag der Experten umgesetzt: „Trassenwahn“.

Der Satz „Das Ostertor lebt“ wurde auf- und ernst genommen. Der „Arbeitskreis Ostertorsanierung“ hatte den Mut, aufzustehen gegen das Fortwirken inzwischen politisch legitimierter Expertenplanung als alleinige Grundlage von Entscheidungen. Der Arbeitskreis, das lebendige Ostertor und deren Sympathisanten erzeugten ein kommunales politisches Klima, in dem Politik mental zur Umkehr bewegt werden konnte – das betrifft nun auch meine Rolle und die des Senates. Es kam zu dieser Umkehr, die pure Planungshoheit wurde aus den Amtsstuben in ein auf Dialog setzendes Miteinander – wenn es sein musste auch Gegeneinander organisiert. Das führte immer mehr zu einem Sich-Öffnen für alternative Ideen. (...)

Die Mitglieder des Arbeitskreises haben sich unbestreitbar um die Fortentwicklung politischer Kultur und nicht zuletzt um die Baukultur der Stadt Bremen verdient gemacht, dafür danke ich heute – spät aber hoffentlich nicht zu spät.

Hans Koschnick (SPD) war 1967 - 1985 Bremer Regierungschef