Naturschutzstau an der Ems

BUND und WWF schlagen vereint mit der Papenburger Meyer Werft einen Kanal parallel zur Ems vor. Der soll die Ems entlasten und Meyers großen Schiffen freie Durchfahrt an die Nordsee garantieren

VON THOMAS SCHUMACHER

„Das ist ein Geschenk. Wir hätten nicht gewagt, so etwas zu fordern“, jubeln Wirtschaftsverbände des Emslandes und Ostfrieslands. Mit ihrer Idee, einen Kanal von Dörpen nach Leer / Ostfriesland zu bauen, haben BUND und WWF mit der Meyer Werft eine Art Goldrausch ausgelöst. Eigentlich sollte der Kanal die Ems ab Papenburg entlasten und sicherstellen, dass die Werft ihre immer größer werdenden Schiffe aus dem Binnenland an die Nordsee transportieren kann. „Das sind gut 60 Kilometer neue Hafenkajen ins Binnenland mit Anbindung an die tiefen, internationalen Wasserwege“, freuen sich regionale Unternehmen. Sie wittern ein einzigartiges Industrieentwicklungsgebiet. Naturschützer sind entsetzt.

„Die Idee ist Wahnsinn. Unsere Arbeit vor Ort wird lächerlich gemacht“, sagt Walter Bünker aus Weener. Elfi Oorlog ist Vorsitzende des Umweltschutzvereins „De Dykloopers“: „Wir haben von der Kanalidee des WWF nichts gewusst, obwohl wir ständig mit BUND und WWF in Kontakt stehen.“ Ulrich Thüre vom Landesverband des NABU ist überrascht: „Der NABU lehnt den Kanal ab. Wir fordern weiter, die Meyer Werft muss ans tiefe Wasser an die Küste!“

Wut und Enttäuschung der Umweltschützer ist groß. Seit Jahren liefern sie Daten mit denen WWF und BUND hantieren. Sie haben seit fast 25 Jahren Verbandsfunktionären die Probleme der Ems, der Küste, des Wattenmeeres und der Nordsee erklärt. Alle sind sich einig, dass die Ems in den letzten Zügen liegt. Das ständige Schaben im Emsschlick hat den Fluss zu einer Dreckschleuder gemacht. Die anliegenden Kommunen können die Ausbaggerungen ihrer Hafenanlagen nicht mehr bezahlen. „Wir wollten die Ems schützten und Meyer nicht kaputt machen. Beides ließ sich auf dem Boden der heutigen Tatsachen nicht vereinbaren“, erklärt Bea Claus vom WWF das Emsdrama, das schon seit 1994 besteht.

„Mit 7,30 Meter ist Ende der Fahnenstange. Wir bauen keine tiefer gehenden Schiffe mehr“, hatte Bernhard Meyer von der Meyer Werft damals versprochen. Gegen den Willen der Aktivisten vor Ort zogen BUND und WWF daraufhin ihre Klage gegen die „finale“ Vertiefung zurück. Im Gegenzug versprach die Landesregierung, einen zweistelligen Millionenbetrag in eine Zustiftung zur Renaturierung der Ems einzuzahlen. Erst seit 2003 sind Gelder in diesen Fonds geflossen. Auf ein schlüssiges Renaturierungskonzept konnte man sich bis heute aber nicht einigen. Dem Naturschutz gingen so Millionen aus dem Zinsertrag der Emsstiftung verloren.

Vorsitzender der Arbeitsgruppe von Verbänden, Land und Meyer Werft, die dieses Konzept erarbeiten soll, ist Alfred Schumm vom WWF. Gehässig wird der WWF „Wirtschaft- und Werft Freund“ genannt, denn mit der Kanalidee wolle die Arbeitsgruppe den „Renaturierungsstau“ wohl zerschlagen. „Meyer wird aus Papenburg nicht weggehen. Da haben wir einfach das Unmögliche gedacht und müssen jetzt prüfen ob ein Kanal sinnvoll umsetzbar ist“, sagt ein Sprecher des WWF-Hamburg.

Ein kleines Problem haben WWF und BUND übersehen: Einen Kanal wird es, wenn überhaupt, erst in 10 oder 20 Jahren geben. Meyer wird aber schon in diesem Juni einen Emsstau für die Überführung eines Luxusliners benötigen. Ein längerer Sommerstau ist aber zurzeit illegal. Bislang waren für alle Naturschützer vor Ort BUND und WWF die Ansprechpartner, wenn es um Klagen gegen Vertiefungen und Stauungen ging. Würden BUND und WWF auch diesen Sommer einen Stau vor Gericht bringen? WWF-Sprecher Kampwirth: „Wir haben noch nichts entschieden.“ BUND-Chef Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler: „Wir müssen abwarten, unter welchen Bedingungen der Stau über die Bühne gehen soll.“ Für die BI „Rettet die Ems“ ist klar: „Sollten die Verbände einer Klage ausweichen, gehen wir getrennte Wege.“ Sie wollen sich mit BUND und WWF zusammensetzen und sehen, was zu retten ist. Mit einem Kanal bräuchte die Ems keine Sanierungsgelder mehr. Ab Dörpen würde sie sich – ließe man sie fließen – mit der Zeit selbst sanieren. Ab Leer würde sie noch mehr belastet und als Kanal ausgebaut oder dauergestaut werden müssen, vermuten Experten.