Auf dem Eis

Kontraproduktiver Alarm

Missmutig schauten wir den kleinen Kindern hinterher, die lachend auf den zugefrorenen See rannten, ohne auch nur einen Gedanken an die vorhersehbaren und unvorhersehbaren Gefahren zu verschwenden, die dort lauerten. Und da wir die Kinder nicht kannten, hatten wir auch nicht vor, sie zu warnen. Zwar tummelten sich auch noch einige andere Winterbegeisterte auf dem dünnen Eis, doch die eine oder andere Lücke in der Eisschicht verriet, was wir schon geahnt hatten: Auffällig baufällig!

Nach langem Absuchen des Ufers und der einen oder anderen unfreiwilligen Begegnung mit durch die Minusgrade und Schneewinde stürmenden Joggern fanden wir endlich eine Stelle, an der es uns genehm war, die brüchige Decke zu betreten. Nach ersten wackligen Gehversuchen vergnügte ich mich an der kindlichen Freude meiner Begleitung, und sie sich an der Rutschpartie. Es hätte ein Triumph des Willens gegen die Vernunft werden können, den Rest des Tages wäre man mit stolzgeschwellter Brust zwischen Bürohengsten durch die vermatschte City gelaufen und hätte gewusst: Ich war ein bisschen wild!

Doch unser aller Freund und Helfer hatte anderes mit uns vor. Mit einem Megafon bewaffnet trieben die Staatsdiener die versprengte Meute zusammen, um ihnen einen Vortrag über die Gefahrenlage zu halten. Buster Keaton wäre stolz gewesen auf die Tat der beflissenen Beamten, und sie nur beschränkt zu nennen, wäre eine Beleidigung für die Riege der Beschränkten. Denn was passiert, wenn man eine weit verteilte Anzahl von Personen auf einem Punkt der Eisdecke konzentriert, bekamen wir zu spüren, als es anfing zu knacken und die Eisläufer schrill kreischend in alle Richtungen auseinanderstoben.

JURI STERNBURG