Kein Versteckspiel mehr

TripHop-Urgestein Tricky offenbart in seiner neuen Scheibe „Vulnerable“ neue, bislang unbekannte Facetten seiner selbst, freut sich, dass seine Songs wieder im Radio gespielt werden und gastiert jetzt in der Großen Freiheit

Der zornige düstere Vater des TripHop gastiert heute in Hamburg und stellt sein neues Album und gleichzeitig einige unbekannte Facetten seiner Persönlichkeit vor – eine musikalische Nabelschau? Als universellen Rock‘n‘Roll bezeichnet Tricky seinen neuen Sound, und mit Vulnerable, seiner neuen Scheibe, soll auch das Versteckspielen endgültig vorbei sein.

Tricky alias Adrian Thaws lässt jetzt Blicke auf die andere Seite seines Ichs zu, zumindest steht es so auf der Homepage des Künstlers, an dem sich viele Geister scheiden. Tricky ist in der Pop-Welt angekommen, könnte man meinen, denn das sechste Album des TripHop-Urgesteins ist wesentlich leichter verdaulich, als so manches vorhergegangene.

Auf das Starensemble von Blowback hat der 38-jährige Elektroguru dabei genauso verzichtet wie auf die Stimme von Martina Topley-Bird. Die wurde durch eine neue Muse namens Constanza Francaville ersetzt, die beweist, dass der Mann ein Faible für außergewöhnliche Frauenstimmen hat. Francaville säuselt so ergreifend wie Lydia Lunch zu ihrer besten Zeit und hält die musikalischen Stränge aus Dub, Blues, Electro, HipHop und Rock zusammen. Bei „Dear God“, einer alten XTC-Nummer, schwebt Constanzas Stimme neben dem typischen Genuschel Trickys, bei „Stay“, dem herausragenden Opener des Silberlings, steht sie im Mittelpunkt, und bei „Car Crash“ vergeht der Frau kunstvoll langsam die Stimme.

Vulnerable ist weit entfernt von Alben wie Angel with Dirty Faces, die bis knapp an die Grenze der Unhörbarkeit dekonstruiert waren, und somit zeigt Tricky auch eine andere Seite seiner selbst. Der Mann ist aus seiner angestammten Ecke getreten, in die er sich selbst gestellt hatte und in der ihn eine ganze Reihe von Kritikern noch gerne sehen würden.

Doch der Streetfighter des TripHop, wie er genannt wurde, weil er sich als solcher gebärdete, hat die Ecke längst verlassen, was ihm auch einige Hardcore-Fans übel nahmen. Die werden sich wohl oder übel mit dem neuen Tricky arrangieren müssen, der sich darüber freut, dass seine Songs wieder den Weg ins Radio finden. Die Kids sollen ruhig hören, wo die Pop-Klon-Bands ihre Ideen klauen. Das hat Tricky nach dem Erscheinen von Blowback gesagt. Und auch auf Vulnerable gibt es so manche gute Idee zu klauen. Doch die sollte man sich lieber im Original anschauen, statt auf schlechte Klone zu warten. KNUT HENKEL

morgen, 21 Uhr, Große Freiheit 36