1.000 schwarze Hippies

Doch eine Liebesparade? Auf der siebten Fuckparade hatten sich alle schrecklich gern: Tanzende halfen Anwohnern beim Ausparken, Verbindungspolizisten scherzten, und Zuschauer wippten mit

von NICOLAI KWASNIEWSKI

„Liebe Polizisten, es ist 14.32 Uhr, bitte drücken Sie jetzt auf die Stoppuhr, wir beginnen mit unseren Redebeiträgen.“ Ironisch nett sagt das DJ Moog, Veranstalter der Fuckparade, nicht böse, wie man es auch verstehen könnte. Konflikte tragen Behörden und Fuckparade gemeinhin vor Gericht aus, auf der Straße dagegen lächelte man sich am Samstag zu. Eine Stunde Redebeiträge zur Auftaktkundgebung, vierzig Minuten zur Abschlusskundgebung – brav hielten sich die Veranstalter an die Auflagen des Oberverwaltungsgerichts.

Die vielfach wiederholte Metapher von den „bunten Protestformen“ passte auf die Demonstranten zwar nur, wenn man unterschiedliche Schwarztöne als bunt akzeptiert, die Stimmung war aber so fröhlich wie auf einer Friedensdemo. Die Raver hörten sich die Reden geduldig Bier trinkend an. Zwei Polizisten waren als Verbindungsleute zu den Veranstaltern abgestellt und bewegten sich freundlich lächelnd in der Menge.

Außer den beiden begleiteten mindestens 15 Polizeifahrzeuge die gut 1.000 Raver mit ihren fünf Lautsprecherwagen durch Mitte – an Gewalt dachte indes keiner der Tanzenden, die Stimmung war trotz Regen ausgelassen. Die fleißig geleerten Bierdosen wurden artig in Container geworfen, die Unbeteiligten entlang der Strecke wippten mit dem Kopf, lächelten und freuten sich über die Verrückten.

Die Verbindungspolizisten liefen scherzend mit DJ Trauma XP vorweg. Zu den „Hippies in Schwarz“ schienen sich die „Hippies in Grün“ zu gesellen, die Fuckparade machte den Eindruck einer Parade der Liebe. Dazu passten die vielen Kinder, die mittanzten, getragen oder in ihren Karren geschoben wurden.

Am Bunker in der Reinhardtstraße angekommen, gab es einen kurzen Missklang in der Konsensgemeinschaft, als sich ein älterer Anwohner wütend über den Aufzug beschwerte: „Denen sollte man die Eier abschneiden, die spinnen doch alle!“ Der Polizist erklärte ihm ungerührt lächelnd die Lage und fragte sich hinterher, „was man mit den ganzen Eiern hätte machen sollen, die der abschneiden wollte“. Die wenigen, die ihre Autos unbedingt aus der Reinhardtstraße wegfahren wollten, wurden zum Erstaunen der Polizisten von den Demonstranten herausgewinkt und eskortiert.

Während der Abschlussveranstaltung forderten die Redner eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Behörden und offizielle Regelungen für die Zwischennutzung leer stehender Gebäude, vermieden aber Konfrontation: „Die Behörden müssen serviceorientierter werden“. Ein Zuhörer rief etwas von Bullenschweinen, nur um den Verbindungsmann daraufhin zu umarmen und sich zu entschuldigen: „Du bist natürlich damit nicht gemeint.“ Der lächelte und nickte verständnisvoll, während sein Kollege von einer halb nackten Tänzerin umgarnt wurde und im Hintergrund ein Punk mit seinen Keulen jonglierte.

Ganz kurz schien die Stimmung zu kippen, als um 19.33 Uhr, drei Minuten nach offiziellem Ende, ein einsamer Volltrunkener die Polizisten in Kampfmontur beschimpfte – worauf die Veranstalter bangten: „Jetzt macht einer noch alles kaputt.“ Machte er nicht, verzog sich, und alles ward gut.