Nicht in eigener Sache

SPD und Grüne fürchten, dass die Mittel gegen Rechtsextremismus in Niedersachsen drastisch gekürzt werden. Heftige Debatte im Landtag

Aus Hannover Kai Schöneberg

Den Vogel des Tages schoss wohl Kultusminister Bernd Busemann (CDU) ab. Gerade hatte die Grüne Rebecca Harms der schwarz-gelben Landesregierung vorgehalten, die radikale Kürzung der Mittel gegen Rechtsextremismus in Niedersachsen sei ja auch deshalb so schlimm, weil gerade CDUler in den vergangenen Monaten kräftig daneben gelangt hatten: Ein Ortsgruppenvorsitzender aus dem Schaumburger Land hatte Zuwanderer mit einem „Tumor“ verglichen, ein Ratsherr aus Wolfsburg Italiener als „Kanaken“ bezeichnet, ein Landtagsabgeordneter hatte sich an Solidaritätsanzeigen für den angefeindeten Bundestagsabgeordneten Hohmann beteiligt. „Sie haben da eben einige Namen genannt“, erwiderte Busemann irritiert. Und: „Das macht uns schon Sorgen.“

Ist die schwarz-gelbe Landesregierung auf dem rechten Auge blind? Weil SPD und Grüne das unterstellen, gab es gestern im Landtag heftig Keile für die Minister. Da die Mittel für das Programm gegen Rechts derzeit gesperrt sind, hat die zuständige Landeszentrale für politische Bildung in diesem Jahr bereits 72 Anträge abgelehnt. Kein Theaterstück „Amok – Tatort Schule“ in Dörverden, kein interkulturelles Training in Göttingen, keine Präventionsarbeit für Kinder in Oldenburg. Und und und.

Schon 2004 war das „Aktionsprogramm gegen Rechts“ bei der Landeszentrale radikal von 680.000 auf 360.000 Euro zusammengestrichen worden. Allerdings sind davon wegen der Haushaltssperre bis Ende Mai erst 42.000 Euro vergeben worden. Das sind weniger als zehn Prozent der Mittel von 2003. Grüne wie SPD fürchten, dass es dabei bleibt. „Ob wir die restlichen Mittel noch frei bekommen“, blieb Busemann gestern im Ungefähren, darüber sei er „noch mit dem Finanzminister im Gespräch.“ Und: „Sie wissen auch, was mit unserem Haushalt los ist.“ Im nächsten Jahr werde die Förderung von Kleinstprojekten unter 2.500 Euro ohnehin komplett wegfallen.

Es sei eine „Missachtung des Parlaments“, dass vom Landtag freigegebene Mittel nicht vergeben würden, wütete der Grüne Fraktionschef Stefan Wenzel. „Das können wir uns nicht gefallen lassen“, ärgerte sich Silva Seeler von der SPD, die die Beratung mit einer dringlichen Anfrage losgetreten hatte.

Seeler sitzt auch im Kuratorium der Landeszentrale. Dort hatte das Kultusministerium noch am 3. März versprochen, am kommenden Tag den Rest der Mittel freizugeben. Passiert war bis gestern nichts. Das änderte auch nicht eine Sondersitzung des Kuratoriums, die gestern Mittag einberufen wurde. „Wir wissen um die Gefährdung“, entgegnete Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Allerdings verzeichne der Verfassungsschutzbericht erstmals seit Jahren einen Rückgang bei rechtsextremen Aktivitäten in Niedersachsen. Staatsschutz und Polizei reagierten dennoch bei Vorfällen „gut und schnell“, so zuletzt bei der Flugblattverteilung einer NPD-Jugendorganisation vor Schulen in und um Verden.

Die Opposition meint hingegen, die Zahlen der Verfassungsschützer bewiesen nicht viel: „Die Rechtsextremen haben ihre Arbeitsweise geändert“, sagt die SPD-Abgeordnete Seeler. Rechte Banden hätten ihre Internetpräsenz in den vergangenen Jahren verfeinert, allein in Deutschland seien 2003 rund 100 CDs mit rechtsextremen Inhalten herausgegeben worden. „Wenn in diesem Bereich derart hart gekürzt wird“, warnte Seeler, „halten wir das für eine Gefahr der Demokratie.“