Trinken Sie Bier

Matschig oder seekrank? Der neue Bremen-Bildatlas ist besser, als er aussieht. Und hilft auch Einheimischen

Als Bremer lebt man in einem „dünn besiedelten Zweistromland“. Als Umland-Bremer in einem „feuchten Dreieck zwischen Bremen, Hamburg und Cuxhaven“. Sind wir also Quasi-Iraker beziehungsweise dauerbemooste Sumpfdottern? Nein. Aber potentielle LeserInnen des neuen HB-Bildatlas Bremen. Denn „auch die einheimische Bevölkerung wird sich in ihm wiederfinden“, verspricht der Verlag.

Der Atlas besteht, wie sein Name zu Recht suggeriert, zum größten Teil aus Bildern, und die knallen in all’ ihrer glänzenden Buntheit fast nahtlos aufeinander. Ganz rechts bleibt gerade mal Platz für eine Textspalte pro Doppelseite. Auf der aber gelingt es Gisela Buddée, manche Information unterzubringen, über die bei weitem nicht alle buchförmigen Bremenführer verfügen. Etwa, dass die hiesigen Verwaltungs-Azubis durch Konfrontation mit der zeitgenössischen Weserburg-Kunst geistig flexibilisiert werden sollen. Oder, dass die Stadt 790 Kilometer Radwege hat. Ganz zu schweigen von tollen Tipps gegen Seekrankheit bei Helgolandfahrten: Den Magen mit Nudeln füllen und rohen Ingwer kauen.

Kein Mangel auch an 1a-Wortspielen, besonders für das Umland. Bremerhaven („eine nicht besonders attraktive Stadt“ ) bekommt den Motivationsslogan „Statt Gejammer Windjammer-Festivals“. Der langwierige Streit um „Neu-Nackeduhnien“, die dann vom Sturm geschluckte FKK-Dühne an der Cuxhavener „Costa Granata“, wird gebührend gewürdigt, ebenso Verden als Hauptstadt von Chappi, Kitekat, Mars und Snickers – „die Nummer eins auf dem Markt für Heimtiernahrung“. Des weiteren findet man nette Seitenhiebe wie die Formulierung, Worpswede sei durch seine Kunststipendiaten „manchmal auch belebt“.

Dass Böttcherstraßenerbauer Roselius nur als „Kaffeekaufmann und Kunstmäzen“ vorkommt, nicht als Deutschnationalist und Hitlerverehrer, der er ebenfalls war, braucht nicht verwundern, schließlich wird vor Ort auch nicht viel anderes vermittelt. Ärgerlicher ist, dass Braunkohl&Pinkel – „klingt nicht gut, schmeckt aber und ist gesund [!?]“ – als Bratkartoffelgericht bezeichnet wird. Dabei verfügen nur Pellkartoffeln über den notwendigen Matschfaktor! Trösten wir uns mit der schönen Sentenz aus dem Kapitel über Kulinarisches: „Getrunken wird im Norden Bier“. Henning Bleyl

113 Seiten, 207 Bilder, 8 Euro fünfzig