Post mit Verspätung

Warnstreik bei der Post: In den Briefverteilzentren legen 180 Beschäftigte für drei Stunden die Arbeit nieder. 1,5 Millionen Sendungen bleiben liegen. Sie werden heute nachgeliefert

VON VERONIKA NICKEL

Berlinerinnen und Berliner aus mehreren Zustellbereichen haben gestern vergeblich auf ihre Post gewartet. 180 Beschäftigte der Post waren einem Aufruf von Ver.di gefolgt und hatten ihre Arbeit niedergelegt. Sie unterstützen damit die bundesweiten Warnstreiks, nachdem die Deutsche Post AG auch in der zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot für die rund 160.000 Beschäftigten vorgelegt hatte. Aus Sicht der Gewerkschaft besteht für die Beschäftigten infolge der „schleppenden Tarifverhandlungen“ seit 1. Mai keine Friedenspflicht mehr.

In den Briefverteilzentren Berlin-Zentrum und Stahnsdorf legten in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag 180 Beschäftigte um halb vier ihre Arbeit nieder. Erst drei Stunden später begann die Frühschicht wieder mit der regulären Arbeit. Betroffen waren schätzungsweise 1,5 Millionen Sendungen der Postleitzahlgebiete 10 und 14. Zusätzlich traf sich am Vormittag in der Urania die komplette Belegschaft der Zustellbereiche Reinickendorf, Tegel, Tempelhof und Neukölln zu einer Streikversammlung. Auch Rolf Büttner, Mitglied im Bundesvorstand und Verhandlungsführer bei den Tarifverhandlungen, war gekommen und signalisierte Kampfbereitschaft. Sollte keine Einigung mit der Deutsche Post AG bei der nächsten Verhandlungsrunde am 1. und 2. Juni erzielt werden, wird es zur Urabstimmung kommen.

Unter den Anwesenden herrschte Übereinstimmung, dass man bei seinen Forderungen bleiben will: Die Postler fordern eine Einkommenserhöhung um 4 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Die Vorwürfe des Vorsitzenden des Verbandes für Post und Telekommunikation Elmar Müller, selbst die eigenen Auszubildenden würden das Vorgehen der Gewerkschaft nicht unterstützen, kann Stephan Teuscher, zuständiger Fachbereichsleiter Postdienste, Speditionen und Logistik, nicht bestätigen. Die Sorge der Nachwuchspostler, aufgrund der hohen Personalkosten nicht übernommen zu werden, ist ihm durchaus bekannt. Er glaubt nicht, dass Lohnzurückhaltung ein Unternehmen dazu bewegen könnte, mehr Beschäftigte einzustellen. Zudem verwies er auf die prekäre finanzielle Lage der Beschäftigten. Angesichts von 1.600 Euro Einstiegsgehalt, so Teuscher, sei der Lohnverzicht eine „sehr theoretische Frage“.

Bei der Post sieht man die verspätete Zustellung gelassen. Sprecherin Barabara Scheil sagte der taz, man könne nicht davon sprechen, dass „Berlin postalisch tot ist“. Nach ihren Angaben wurden gestern etwa 300.000 Sendungen nicht zugestellt. Sie werden mit der heutigen Post nachgeliefert. Gleichzeitig äußerte Scheil Unverständnis über die Gewerkschaft: „Die Tarifverhandlungen sind noch am Laufen und wir sind an einer Einigung sehr interessiert.“

Durch die Arbeitsniederlegung sollten nicht die Kunden getroffen werden, unterstrich gestern ein Ver.di-Sprecher. Verantwortlich sei die Verweigerungshaltung der Post AG in den Verhandlungen. Nach seiner Einschätzung haben die Kunden inzwischen großes Verständnis dafür, dass die Zusteller ihren Forderungen Nachdruck verleihen.