Ulis Talentschuppen

Die deutsche U 21-Nationalmannschaft startet heute gegen die Schweiz in die EM. Ihr Ziel ist Olympia

ALZEY taz ■ Manchmal weht er schon vorher, manchmal gar nicht. Dann suchen sie wie verrückt, und manchmal finden sie ihn auch – oder aber er weht ihnen unverhofft entgegen. Manchmal aber will er sie partout nicht befallen; dann ist meistens alles schief gegangen. Die Rede ist vom Geist. Jener Geist, den Fußballmannschaften immer dann suchen, wenn ein großes Turnier ansteht. Ein Geist, der sie einen, der die Basis bilden und sie zu Helden machen soll. Man kennt das Geistergeschwurbele ausreichend – und man kann es nicht mehr hören. Aber nun zwingt Uli Stielike erneut zur Beschäftigung mit diesem Feld. Und der DFB-Trainer bringt vor dem heutigen Start seiner Mannschaft in die U 21-Europameisterschaft im eigenen Lande eine ganz neue Variante ins Spiel. Nicht ein, nein, zwei Geister sollen in einer Art Geisterkombi die deutsche Mannschaft unter die besten drei der acht Konkurrenten tragen, um das große Ziel, die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Athen, zu erreichen.

„Wir brauchen den Geist von Istanbul“, glaubt Stielike. Dieser stehe für kühle Professionalität – und erinnere an die formidable Leistung seiner Mannschaft am Bosporus, wo man letzten November die favorisierten Türken ausschaltete, um sich an ihrer statt für dieses Turnier zu qualifizieren. Die zweite Inspiration speist sich aus dem „Geist von Mainz“. Zum Auftakt treffen die deutschen Talente heute (18.30 Uhr) nämlich ausgerechnet vor der feierlaunigen Anhängerschaft des Endlich-Erstligisten Mainz 05 auf die Schweiz.

„Ich hoffe, die Euphorie von den Rängen überträgt sich auf meine Mannschaft“, sagt Stielike, der mit Benjamin Auer und Mimoun Azaouagh auch zwei Nullfünfer in seinen Reihen weiß. Drei Zähler zu Beginn wären enorm wichtig, da mit Schweden (Sonntag in Mannheim) und Portugal (nächsten Mittwoch in Mainz) höher eingeschätzte Teams warten. Nur die beiden Gruppensieger aber qualifizieren sich für das Halbfinale, in dem die Deutschen dann auf Italien, Weißrussland, Serbien und Montenegro oder Kroatien treffen könnten, die ihre Vorrundenspiele in Oberhausen und Bochum austragen. Nur die ersten drei der EM lösen das Ticket nach Athen.

Uli Stielike lobt das Potenzial seiner Mannschaft, aber der Feind der undeutlichen Aussage ist nur gedämpft optimistisch. Mit Kuranyi, Hinkel und Lahm sind drei Talente schon zu A-Nationalspielern gereift, und mit Lauth und Broich fehlen zwei Leistungsträger verletzt. „Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man den Substanzverlust nicht mehr auffangen kann“, weiß Stielike. Noch sei dieser nicht erreicht, aber Stielike sagt: „Viel darf nicht mehr passieren.“

Die Hiobsbotschaften indes reißen nicht ab aus Alzey, einem kleinen Städtchen in Rheinhessen, in dem der deutsche Tross sein Lager aufgeschlagen hat. Markus Feulner wird gegen die Schweiz definitiv ausfallen, und auch Alexander Madlungs Einsatz ist ungewiss. Die Stimmung unter den Spielern aber ist ungebrochen gut. Dazu trägt vor allem Lukas Podolski bei, genannt „Prinz Poldi“, ein spaßiger Geist, der nicht nur auf dem Platz immer geradeaus geht. „Gleisch fliegt deine Kamera in die Luft, wenn du weiter so wild drückst“, poldite der Jüngste im Kader einem Fotografen in reinstem Kölsch entgegen. Der 18-Jährige, der in 19 Bundesligaspielen 10 Tore für den FC geschossen hat, verkörpert eine Unbekümmertheit, die nicht nur Stielikes Elf zugute kommen könnte. Rudi Völler stachelte den Ehrgeiz der 22 Nominierten an, als er einen Platz in seinem 23er-EM-Kader frei ließ; und es wäre keine Überraschung, wenn Podolski auch in Portugal dabei wäre. Uli Stielike hält es sogar für möglich, dass noch „der ein oder andere mehr“ aus seinem Talenteschuppen den Sprung auf die ganz große Bühne schafft. Schließlich habe Rudi Völlers Auswahl noch drei Spiele und viele harte Trainingseinheiten zu absolvieren. Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern wäre sicher ein Kandidat. Spätestens bei der WM 2006 im eigenen Lande sollen aber nicht nur Schweinsteiger und Podolski im A-Team stehen.

TOBIAS SCHÄCHTER