Abschiebung unsicher

Wegen Zeugenaussagen, die unter Folter erpresst wurden

FREIBURG taz ■ Metin Kaplan kann wahrscheinlich noch gar nicht abgeschoben werden. Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster, wonach Kaplans Abschiebung in die Türkei für grundsätzlich zulässig erklärt wurde, ist noch nicht rechtskräftig. Das OVG hat wegen der schwierigen Rechtsfragen Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen.

Im Mittelpunkt der Leipziger Verhandlung wird nicht die Frage stehen, ob Kaplan in der Türkei Folter droht. Das tragen seine Anwälte zwar vor, es ist aber unwahrscheinlich, da der Kalif nicht in Polizeihaft kommen wird. Schon die erste Instanz, das Verwaltungsgericht in Köln, hat in diesem Punkt gegen Kaplan entschieden. Die Kölner Richter ordneten aber einen Abschiebestopp an, weil Kaplan in der Türkei ein rechtsstaatswidriger Prozess drohe. Es bestehe die Gefahr, dass im geplanten Hochverratsprozess Geständnisse vermeintlicher Mittäter verwendet werden, die unter Folter entstanden.

Die Münsteraner OVG-Richter sahen dagegen in dem drohenden Strafprozess noch keine „unmenschliche Behandlung“ im Sinne der Europäischen Menschenrechts-Konvention. Kaplan könne vielmehr, wenn er in der Türkei keinen ausreichenden Rechtsschutz erhalte, am Ende den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen, um seine Rechte zu wahren. Das alles dauere zwar etwa vier bis fünf Jahre, doch so lange würde Kaplan in der Türkei ohnehin inhaftiert, argumentierte das OVG. Denn neben den Hochverrats-Vorwürfen lägen auch andere Anklagepunkte gegen Kaplan vor, die nicht auf Foltergeständnissen beruhen. Den OVG-Richtern war klar, dass diese Argumentation ziemlich ungewöhnlich ist. Deshalb ließen sie eine endgültige Klärung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht zu.

Revisionen sind in Abschiebungsfragen so selten, dass es bisher keine eindeutigen Regeln gibt, ob sie tatsächlich aufschiebende Wirkung haben. Max Siebert, der Vorsitzende Richter im OVG-Verfahren, ist sich zwar sicher, dass auch hier „keine vollendeten Tatsachen“ geschaffen werden dürfen. Die Stadt Köln sieht dies anders. Sie will Kaplan schon vor dem Leipziger Urteil abschieben. Um dies zu verhindern, hat Kaplans Anwältin beim Verwaltungsgericht Köln eine einstweilige Verfügung beantragt. Wann die Richter hierüber entscheiden, war bei Redaktionsschluss noch unklar. CHRISTIAN RATH