Pfingstkirchen

Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert (von daher der englische Begriff Pentecost, der auf das griechische Wort für 50 zurückgeht) und markiert nach der Bibel den Tag, an dem der Heilige Geist den Jüngern Jesu erschien, zehn Tage nachdem dieser in den Himmel aufgefahren war. Sie konnten sich plötzlich in vielen Sprachen verständigen, gingen hinaus und verkündeten, was sie von Jesus gehört und gesehen hatten. Das gilt in der christlichen Tradition als Gründungsakt der christlichen Mission.

Pfingstkirchen, auch Erweckungskirchen oder charismatische Kirchen genannt – wobei es feine theologische Unterschiede zwischen diesen Kategorien gibt, – gehen auf das Methodistentum und andere protestantische Kirchen im angelsächsischen Raum während der Aufklärung zurück. Sie betonen das individuelle Verständnis der christlichen Lehre, die „Wiedergeburt“ des Einzelnen, seine „Reinheit des Herzens“ und seinen Willen, andere von seinem Glauben zu überzeugen, und legen keinen Wert auf institutionelle kirchliche Strukturen. Die formelle Gründung von Kirchen, die sich Pfingstkirchen nennen, führen diese selbst auf ungefähr den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück und definieren sich selbst daher als modernste Variante des Christentums. In den USA waren Methodisten, Baptisten und Pfingstkirchen die ersten, die die Rassenschranken systematisch überwanden oder auch eigene schwarze Kirchen gründeten. Die erste schwarze Kirche in den USA entstand 1787 in Philadelphia. Methodisten und Baptisten wandten sich an die schwarze Mittelklasse, die Pfingstkirchen waren bevorzugtes Ziel der Unterschicht.

Afrika kennt Pfingstkirchen seit dem frühen 20. Jahrhundert; die ersten gab es in Südafrika. Sie sind dort nicht zu trennen von den stark religiös beeinflussten Strömungen des Panafrikanismus, dem so genannten „Ethiopianism“, die aus den USA nach Afrika gekommen waren und sozusagen die spirituelle Begleitung der Wiedergeburt der Schwarzen per Rückkehr zu ihrem Ursprungskontinent darstellten. Nahe standen ihnen auch die zahlreichen afrikanischen christlichen Kirchen, die während der Kolonialzeit vielerorts als Reaktion auf die europäischen Kirchen entstanden und zum Teil ähnlich bunte und lange Gottesdienste kennen – zum Beispiel die Kimbangisten in Kongo, die „Aladura“-Bewegung (Gebet) in Nigeria oder die „zionistischen“ und „apostolischen“ Kirchen in zahlreichen Ländern.

Heute zählen Pfingstkirchen in Afrika zur größten Glaubensgemeinschaft neben der katholischen Kirche. Der Kontinent zählt insgesamt rund 300 Millionen Muslime und 350 Millionen Christen. Viele der neueren Pfingstkirchen in Afrika entstanden in den 70er- und 80er-Jahren als Reaktion gegen die Staatsnähe der etablierten Kirchen. Die oft unterstellte Nähe zu US-amerikanischen Missionaren ist weniger häufig als vermutet. Vielmehr handelt es sich oftmals um Abspaltungen von etablierten Pfingstkirchen oder auch um kirchliche Jugend- und Frauenbewegungen, die einen eigenen Charakter mit der Verehrung einer charismatischen Persönlichkeit annehmen. Sie orientieren sich dann vorrangig am ökonomischen Erfolg dieser Persönlichkeit. Wichtiger als die US-amerikanischen Wurzeln der Pfingstkirchenbewegung ist dabei dann die Rückbesinnung auf afrikanische Religiosität und Spiritualität, weswegen zuweilen neue afrikanische Pfingstkirchen von ihren Kritikern in Verbindung mit Hexerei gebracht werden.

Christlicher Fundamentalismus allgemein spielt zuweilen eine besondere Rolle auch dort, wo Pfingstkirchen nicht aktiv sind. Die „Holy Spirit“-Bewegung der 80er-Jahre in Uganda, aus der die noch heute aktive und sehr brutale Rebellenbewegung „Lord’s Resistance Army“ hervorging, predigt die Rückkehr zu den Zehn Geboten ebenso wie ruandische und burundische Hutu-Milizen in den Wäldern Kongos und Burundis auf die Bibel schwören. In vielen Kriegen in Afrika, von Sierra Leone über Kongo bis Mosambik, tauchen „Priester“ auf, die bewaffnete Kämpfer einer Miliz mit Weihwasser segnen und angeblich unverwundbar machen – wenn das nicht klappt, war das unglückliche Opfer eben nicht gläubig genug. D.J.

Informationen zu Pfingsten: www.pfingsten-info.de, Nigerias „Redeemed Christian Church of God“: www.rccg.org, Kongos „Erzbischof“ Fernando Kutino: www.kutino.org