unverbremt
: Die neue Lust am Feudalismus

Bremen ist eine wahrhaft republikanische Trutzburg inmitten der grassierenden Monarchie-Begeisterung. Während andernorts Schloss-Fassaden wie Potemkin’sche Pilze aus dem Boden sprießen, gönnt sich Bremen morgen lediglich eine kleine Geburtstags-Veranstaltung für den letzten deutschen Kaiser.

Wilhelm II. wird heuer 150. Das Nordwestradio lässt deswegen den NDR-Adelsexperten Rolf Seelmann-Eggebert über „politische Leistungen des Hohenzollern-Spross’“ diskutieren, die BMG macht mit schönen Farb-Plakaten auf das im Rathaus steigende Ereignis aufmerksam. Ehre, wem Ehre gebührt: Wilhelms Rüstungspolitik kam den Bremer Werften sehr zugute, obendrein ist in der Tat bemerkenswert, dass die Hohenzollern’sche Zentralverwaltung bis 1997 im beschaulichen Borgfeld saß.

Royality-Rolf, berühmt für seine Hochzeits-Reportagen, wird das alles mit illustren Gästen besprechen. Etwa mit Rainer von Hessen, der sich unter anderem durch Werke wie „Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden“ profiliert hat, womit er freilich nicht den Kaiser featuret, sondern einen seiner eigenen kurfürstlich-hessischen Vorfahren. Mit Hans-Ulrich Wehler ist allerdings auch ein wirklich wichtiger Historiker anwesend – bleibt zu hoffen, dass er nicht allzu gehässig auf des Kaisers Bremerhavener Hunnen-Rede („Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“) herumhackt. Die neue Lust am Feudalismus wollen wir uns nicht allzu schnell wieder nehmen lassen. HENNING BLEYL