Den Rücken aufs Kreuz legen

Rückenschmerzen kennt fast jeder. Welche Therapie hilft, hängt auch von der inneren Einstellung und dem Spaßfaktor ab. Um im Alltag und bei der Arbeit vorzubeugen, ist die richtige Haltung gefragt und vor allem: bewegen, bewegen, bewegen

VON MARTINA JANNING

Der Freund einer Freundin kennt jemanden, der noch nie Rückenschmerzen hatte. Eine Ausnahme. 80 bis 90 Prozent aller Deutschen plagt mindestens einmal im Leben das Kreuz, so lautet das Ergebnis einer Forsa-Umfrage. Der Großteil aller Rückenschmerzen wird durch verspannte Muskeln ausgelöst, meist hervorgerufen durch Bewegungsmangel, Haltungsfehler und falsche Belastung der Wirbelsäule. Besonders häufig betroffen sind Menschen an Bildschirmarbeitsplätzen.

„Gegen Rückenschmerzen empfehle ich als Erstes Wärme“, erläutert Dietrich Bornemann von der Arbeitsgemeinschaft Berliner Orthopäden. „Ein Rollkragenpulli, eine Wärmflasche oder ein heißes Bad helfen dabei, die Muskeln zu entspannen.“ Schmerzmittel sollten auf eigene Faust nicht länger als drei Tage genommen werden. Verschlimmern sich die Beschwerden vorher oder kommt ein Ziehen in den Extremitäten hinzu, heißt es schon vorher: zum Arzt gehen.

Die meisten Rückenschmerzen verschwinden nach einigen Tagen wieder. Falls nicht, ist es Zeit, aktiv zu werden. Möglichkeiten neben der klassischen Krankengymnastik gibt es viele. „Nicht jede Therapie ist für jeden geeignet. Wichtig ist auch: Was macht dem Patienten Spaß“, sagt Bornemann. Manche müssten vieles ausprobieren, bis sie das Richtige gefunden hätten. Das könne Osteopathie, Feldenkrais oder Rolfing sein. Auch mit Yoga gibt es gute Erfahrungen, nicht zuletzt wegen der entspannenden Elemente. Andere Menschen sind in Sportstudios gut aufgehoben, vorausgesetzt, sie mögen das Stemmen an Maschinen. „Dort geht man zwei- bis dreimal die Woche hin und arbeitet sich 20 bis 30 Minuten ab“, erklärt Bornemann. „Obschon dieses Training bei Kieser oder FPZ recht spröde ist, kommt es vielen Menschen offenbar entgegen.“

Eine andere Möglichkeit, Kreuzschmerzen zu Leibe zu rücken: Rückenschulen. Dort lernen Betroffene, alltägliche Bewegungsabläufe rückenschonend zu praktizieren. Lange galten die Kurse als äußerst wirksame Methode zur Therapie und Vorbeugung von Rückenschmerzen. Inzwischen werden auch kritische Stimmen laut. Unter siebzehn klinischen Studien fand das Hamburger Institut für Gesundheitsmanagement sechs, die keinen Beleg für die Wirksamkeit einer Rückenschule liefern konnten, zwei weitere brachten kein eindeutiges Ergebnis. Orthopäde Bornemann hält die Schulungen jedoch für sinnvoll, um Fehlhaltungen zu korrigieren. Allerdings: „Eine Rückenschule ist nicht auf Lebensdauer abgestellt. Man sollte alle ein bis zwei Jahre einen Auffrischungskurs machen. Zu leicht gewöhnt man sich wieder falsche Dinge an.“

Sind Rückenschmerzen bereits chronisch, kann Akupunktur helfen. In einer Zwischenbilanz des „Modellvorhabens Akupunktur“ kamen die teilnehmenden Krankenkassen und die Berliner Charité im Februar 2003 zu dem Schluss: Die Nadelbehandlung besserte bei 86 Prozent der Patienten die Rückenbeschwerden wirksam.

Sinnvoller als heilen ist natürlich vorbeugen „Das A und O gegen Rückenschmerzen ist Bewegung“, sagt Fachmann Bornemann. „Dabei ist unter heutigen Lebensbedingungen jede Bewegung erst mal gut. Wichtig ist allerdings, dass sich Belastungs- und Erholungsphasen abwechseln.“ Schreibtischarbeitern rät der Orthopäde, auf ergonomische Büromöbel zu achten. Falsche Haltungen werden vermieden, wenn Tisch, Stuhl und PC-Bildschirm bequem platziert sind. Die Sitzhöhe des Stuhls muss so eingestellt sein, dass Ober- und Unterschenkel einen rechten Winkel bilden, genauso wie Ober- und Unterarme. Die Sitzfläche sollte leicht nach vorn geneigt sein. Lässt sich ein zu hoher Schreibtisch nicht verstellen, hilft eine Fußstütze. Ideal ist es, gerade zu sitzen – aber nicht starr. Bornemann: „Man sollte zwischen der vorderen, hinteren und mittleren Sitzposition wechseln.“ Ein Sitzball sei zwischendurch toll, nicht jedoch auf Dauer. Und: „In jedes Büro, in dem viel geschrieben wird, gehört eigentlich ein Stehpult mit Fußraste.“ Wer viel telefonieren müsse, sollte ein Headset tragen, empfiehlt der Facharzt. „Typisch ist, dass der Hörer zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt wird. Das provoziert Verspannungen.“ Ansonsten gilt: Jede Chance wahrnehmen, sich zu bewegen. Botengänge machen, Treppen steigen statt Fahrstuhl fahren und beugen, strecken, dehnen.

Die Initiative „Deutschland im Kampf gegen den Rückenschmerz“, an der sich Orthopäden, Krankengymnasten, Apotheken und die Barmer Ersatzkasse beteiligen, gibt die Broschüre „Rückenschmerz:akut“ heraus. Sie kann im Internet unter www.rueckenschmerz-akut.de kostenlos heruntergeladen werden. Weitere Informationen zu Rückenschmerzen unter www.orth inform.de und www.aktion-gesunder-ruecken.de