Politisch manchmal nicht ganz korrekt

20 Jahre „Siegessäule“ sind auch 20 Jahre schwuler und lesbischer Journalismus. Inklusive einiger „Denkanstöße“

Es ist eine Erfolgsgeschichte. Eigentlich hatte die Siegessäule keine Chance. Aber sie nutzte sie. An diesem Pfingsten feiert das Monatsblatt seinen 20. Geburtstag, und zwar nicht im SchwuZ, dem klassischen Zentrum der Westberliner Schwulenbewegung, sondern dort, wo gern neoarrivierte Medienunternehmen zeigen, was und mit wem sie es geschafft haben: in der Treptower Arena mit den Stargästen Jimmy Somerville und Elli. Die Location freilich liegt nur knapp hinter der Grenze jenes Bezirks, in dem das Alphabet der alternativen Bewegung vor zwei Jahrzehnten durchbuchstabiert wurde– in Kreuzberg.

Dort ist im Übrigen die Siegessäule seit neuestem ansässig. Die Immobilienpreise, sagt Redakteur Peter Polzer, seien momentan so im Keller, dass man sich das schicke Hinterhäuschen am Tempelhofer Ufer leisten wollte und das szenigere Schöneberg verließ. Gemausert hat sich das Blatt allenthalben – und jede Rede von einem Verrat an einstigen Ansprüchen wäre verkehrt. Denn, so Manuela Kay, Polzers lesbische Kollegin, „wir sind ein Bewegungsblatt im Prinzip, aber wo ist nur die Bewegung?“ Das ist auch für das Zentralorgan der Homoszenen schwer zu bestimmen, das einst aus dem Underground der Schwulenbewegung geboren wurde, weil es ja kein Blättchen gab, das über all das informiert hätte, was Homosexuelle in der Hauptstadt der Schwulen und Lesben so tun und erleben können.

Heute wird das Magazin in einer Auflage von monatlich 45.000 Exemplaren in der Stadt verteilt – gratis. Man kann es öffentlich lesen, es zählt zu den anerkannten Lektüren, die einen als Teil der bunten Kultur ausweisen. Selbst in feineren Vierteln wie Wilmersdorf oder Charlottenburg darf es studiert werden – ein unerlässliches Brevier, um sich im Berlin der Regenbogenfahnen durchzufinden.

Hin und wieder gelingt der Redaktion gar ein kleiner Skandal, das, was Manuela Kay „Denkanstoß“ nennt. Wie beispielsweise voriges Jahr ein Heftcover, auf dem als Titelzeile „Türken raus“ zu lesen stand: Man wollte es nicht mehr hinnehmen, dass im Namen politischer Korrektheit die (in den linksliberalen Szenen) weithin tolerierte Homophobie von Einwanderergruppen verschwiegen wird. Die Siegessäule zog sich auch in den eigenen Kreisen den (unberechtigten) Vorwurf des Rassismus zu – und das war zwar ungerecht, aber immerhin Stoff für viele Debatten, die über das legendär akkurate Servicewesen des Blatts hinauswiesen. JAN FEDDERSEN