Besser als Training

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft besiegt Malta mit 7:0. Dass dies bezüglich der Europameisterschaft nichts zu bedeuten hat, scheint den Spielern allerdings bewusst

FREIBURG taz ■ „So ein Spiel“, sprach Rudi Völler, „bringt mehr als jede Trainingseinheit.“ Und damit war eigentlich schon alles gesagt über das freundschaftliche Treffen von Deutschland und Malta. Aber weil es 7:0 ausging, mithin das gleiche Ergebnis wie vor zwei Jahren an selber Stelle gegen Kuwait, wurden Erinnerungen wach an die Vorbereitung auf die WM 2002. The same procedure: Wieder logiert die Nationalmannschaft im Schwarzbauernhof zu Winden, lässt sich im Elztal die Schwarzwaldluft um die Nase wehen und beschwört die guten Geister.

Schließlich liegt das 1:5 gegen Rumänien vor Monatsfrist noch quer im Magen. Rudi Völler räumt ein: „Da haben wir Kredit verspielt.“ Was sich im Dreisamstadion an den Eintrittskassen niederschlug: Es klafften Lücken zwischen den 20.000 Zuschauern. Aber weil die Malteser in ihren Reihen ebenso solche öffneten, hat die DFB-Auswahl den Dispositionsrahmen um sieben Toren ausgedehnt.

Und so hat das Länderspiel in jeder Hinsicht seinen Zweck erfüllt: 90 Minuten, aus denen Honig gesaugt wird bis kommenden Mittwoch und dem vorletzten Test gegen den EM-Teilnehmer Schweiz in Basel; ein Spiel zum Vergessen, auch wenn es nur Malta war und Bukarest noch nicht verdaut ist. Dazu kommt eine Millioneneinnahme für die Egidius-Braun-Stiftung, und obendrein noch ein Eintrag ins DFB-Geschichtsbuch: Vier Tore in einem Spiel hat zuletzt Gerd Müller erzielt, im November 1972 bei einem 5:1 in Düsseldorf gegen die Schweiz.

In Freiburg gelang dieses Kunststück Michael Ballack. Nach einer Saison, in der er beim FC Bayern München viel Kritik einstecken musste – „und die ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen ist“, wie Rudi Völler festgestellt hat –, scheint Ballack mit dem Trikotwechsel auf einem guten Weg, sich wieder in Turnierform zu bringen. „Vier Tore schießt man nicht alle Tage“, sagte er freudestrahlend, eins mit sattem Flachschuss von der Strafraumkante, drei machte er mit Kopf gegen die körperlich allerdings krass unterlegenen Insulaner. „Ich wäre überglücklich gewesen“, sinnierte Völler, „wenn mir das in der Nationalmannschaft mal gelungen wäre.“

Der frische Schwung des Michael Ballack, der die Spekulationen über ein Angebot des FC Barcelona keineswegs aus der Welt schaffen wollte („Dazu möchte ich noch nichts sagen“), geht in den Augen des Teamchefs maßgeblich auf Dietmar Hamann zurück: „Er hält Ballack den Rücken frei und ist der ideale Anspielpartner.“ Während Oliver Kahn seine freien Abend an Völlers Seite auf der Trainerbank lümmelnd verbrachte, trug Hamann die Kapitänsbinde und erklärte die Rollenverteilung: Er ist der „wahrscheinlich“ Defensivere, Ballack der Offensivere: „Dabei ist es nicht so, dass Michael nicht nach hinten arbeitet, aber nach vorne hat er alle Freiheiten.“

Dieses zentrale Gespann, dazu der unbekümmerte Philipp Lahm auf der linken Seite und der multifunktionale Thorsten Frings, erst links, dann rechts ackernd und dann auch noch Schütze des 4:0, waren die ermutigenden Erscheinungen eines Abends ohne große Aussagekraft. Dazu kam das erste Tor von Jens Nowotny, als sich der Verteidiger in der 33. Minute seines 41. Länderspiels beim 3:0 im Malteser Strafraum verirrt hatte.

Das hätte man auch gern von den deutschen Angreifern behauptet, doch die blieben gegen den beileibe nicht beängstigenden Gegner seltsam wirkungslos. Und dabei mäkelte Maltas deutscher Nationalcoach Horst Heese – einst bei den Offenbacher Kickers jener Trainer, der dem Jungprofi Völler zum ersten Mal in der Bundesliga einsetzte – dass seine Freizeitkicker den Deutschen viel zu offen begegnet seien.

Fredi Bobic legte zwar zwei Treffer auf und staubte in der Nachspielzeit zum 7:0 ab, als die Malteser nur noch zu zehnt waren, Kevin Kuranyi und Miroslav Klose aber kamen nicht zum Zug, und durch das verletzungsbedingte Ausscheiden von Paul Freier (Innenbandverletzung) nach einem 15-minütigen Kurzeinsatz könnte Völler zu einer weiteren Nachnominierung gezwungen sein. Womit endgültig der Weg frei wäre für den neuen Stürmermessias Lukas Podolski, der derzeit allerdings auch nicht ganz fit ist, sondern an einer Leistenzerrung laboriert.

So wie es aussieht, wird die deutsche Auswahl in Portugal ähnlich wie bei der WM in Asien ihre Hoffnungen auf die Mittelfeldachse stützen müssen. Zögerlich wich Ballack den Vermutungen aus, er könne sich in der Nationalelf besser entfalten als in München: „Weiß ich nicht.“ Allzu euphorisch wollte der neue Rekordschütze ohnehin nicht werden. Ein kleiner Schritt sei dieses Spiel gewesen, „und am Mittwoch gegen die Schweiz sehen wir, wo wir stehen“.

CHRISTOPH KIESLICH