Im Wahlblock gegen Bush

100.000 Stimmen gegen den Krieg: Am Wochenende gründete sich in Berlin die Koalition „American Voices Abroad“. Das Bündnis möchte amerikanische Kriegsgegner jenseits der US-Grenzen einen und so Druck auf Washington machen

Phyllis Bennis ist begeistert. „Das hier ist in acht Monaten entstanden, bei der Vietnambewegung dauerte es Jahre“, sagt die Nahost-Expertin, die am Washingtoner Institue for Policy Studies das Programm „Neuer Internationalismus“ leitet und als Forschungsstipendiatin in Amsterdam beobachten konnte, wie sich in Frankreich, Tschechien, Großbritannien und Deutschland amerikanische Kriegsgegner zusammenschlossen, Internetforen schufen und Kundgebungen organisierten.

Bennis sprach am Wochenende beim ersten europaweiten Kongress der „American Voices Abroad“ (AVA), bei dem sich VertreterInnen der verschiedenen Gruppen in Berlin trafen. Zwei Tage lang hatten sich die Delegierten in das DGB-Haus am Wittenbergplatz zurückgezogen, um eine breite Koalition auf den Weg zu bringen: Als AVA will man in Zukunft eine „andere Stimme Amerikas“ darstellen und zeigen, dass auch unter Amerikanern „Meinungsvielfalt herrscht und es eine Opposition gibt“, so Pressereferentin Ariane Hildebrandt.

Neben dem Kampf gegen die Präventivkriegsdoktrin von George W. Bush ist ein zentrales Anliegen der Kriegsgegner die Abschaffung des Patriot Act, mit dem Bush nach dem 11. September die Möglichkeiten zur Bürgerüberwachung durch Justiz, Polizei und CIA deutlich ausweitete. Dabei sieht Brian Thomas, politischer Berater der AVA, die junge Organisation in Besitz einer „politischen Waffe: 2,2 Millionen Amerikaner leben in Europa, weltweit gibt es 4,3 Millionen amerikanische Bürger, die außerhalb der USA leben. Wir wollen bis zu den Wahlen im Jahr 2004 100.000 von diesen Leuten in einem überparteilichen Wahlblock zusammenbringen.“ Dieser Wahlblock könne sich dann hinter den Kandidaten stellen, „der gegen den Krieg ist. Die letzte Wahl wurde durch 532 Stimmen entschieden. Wenn wir mit 100.000 Stimmen aufwarten können, dann bedeutet das eine entscheidende Macht.“

Einstimmig angenommen hat der Kongress den Vorschlag auf Zusammenarbeit mit Albrecht Schotts World Depleted Uranium Center (WoDUC). Der Berliner Biochemiker hat den Nachweis der Schädlichkeit von abgereichtertem Uran (DU) erbracht, das die Amerikaner in den beiden Golfkriegen als Waffe einsetzten: DU ist sowohl radiotoxisch als auch chemotoxisch, wird aber aufgrund seiner extremen Härte zur Herstellung von Munition verwendet. Bei der Explosion von DU etwa in einem Panzer entsteht Uranstaub, der in die Atmosphäre entweicht. Landet das Geschoss neben seinem Ziel in der Erde, geht das DU in das Grundwasser über – DU ist wasserlöslich. Die Gefahr: DU sendet Alphateilchen aus, die Chromosomen und damit den genetischen Apparat zerstören.

Schott spricht von 60.000 DU-Opfern im Westen und einem Vielfachen dieser Zahl im Irak, die allein der Golfkrieg des Jahres 1991 gefordert hat. US-Militärs leugnen nach wie vor die Auswirkungen des DU-Einsatzes, schon allein wegen der Kosten. „Wenn die 60.000 Opfer alle Ansprüche stellen, dann kostet das ja mehr als der Krieg“, so Schott.

Was die AVA betrifft, hofft Schott „die Auswüchse der US-Außenpolitik regulieren zu können. Ich halte die AVA-Leute für sehr seriös, deswegen mache ich da mit.“ Ein nächstes AVA-Treffen soll in sechs Monaten in Prag stattfinden. Bis dahin ist vor allem via Internet viel Öffentlichkeitsarbeit geplant: Die Zeit drängt, Deadline für die 100.000 ist der 2. November 2004.

KLAUS IRLER