Ölprivatisierung verhindert

Kolumbiens Regierung und die Ölarbeitergewerkschaft einigen sich: Ecopetrol bleibt staatlich, doch zur Erschließung neuer Reserven sollen Investoren geholt werden

Der Erdölsektor in Kolumbien sorgt für ein Drittel der Staatseinnahmen

PORTO ALEGRE taz ■ Das Ende ihres fünfwöchigen Arbeitskampfs feierte Kolumbiens Erdölgewerkschaft USO wie einen Sieg: Hunderte von Bussen, Pkws und Motorrädern, geschmückt mit den gelb-blau-roten Nationalfarben und roten USO-Fahnen, rauschten vorgestern durch das kolumbianische Erdölzentrum Barrancabermeja. „Wir haben die Privatisierung verhindert“, riefen die Arbeiter. Gestern nahm die Frühschicht in der Raffinerie von Barrancabermeja ihren regulären Betrieb auf.

Die kämpferischste Gewerkschaft Kolumbiens, die 1948 durch einen großen Streik die Gründung der staatlichen Erdölgesellschaft Ecopetrol erzwungen hatte und in den letzten 15 Jahren 89 Mitglieder durch Mordanschläge verlor, konnte zumindest einen Achtungserfolg verbuchen: „Unter der jetzigen Regierung“, also bis 2006, werde Ecopetrol „weder privatisiert noch aufgelöst“, heißt es in dem am Mittwoch unterzeichneten Abkommen. Zudem wird die Entkapitalisierung des Staatsbetriebs zugunsten der im Vorjahr gegründeten Nationalen Erdölagentur ANH teilweise rückgängig gemacht. Schließlich bleiben die wichtigen Erdölfelder Cira, Infantas und Casabe staatseigen.

Noch zufriedener darf allerdings die Regierung sein: Zeitgleich mit dem Verhandlungsabschluss bestätigte das Verfassungsgericht, das Dekret, mit dem Präsident Álvaro Uribe im Juni 2003 die Umstrukturierung des Erdölsektors einleitete, sei rechtens. Die größten Nutznießer dieser Entwicklung sind Ölmultis wie BP-Amoco, ChevronTexaco oder Occidental Petroleum (Oxy). Die Verträge mit privaten Partnern werden künftig von der ANH nach den marktüblichen Konditionen ausgehandelt. Ein „großer Rückschritt“, wie USO-Vorsitzender Gabriel Alvis findet. Dank hoher „Transparenz und Flexibilität“ hätten sich bereits 30 Firmen für neue Explorationsaufträge beworben, davon die Hälfte aus dem Ausland, sagte ANH-Chef Armando Zamora. Ziel sei es, die jährliche Fördermenge durch die neue Politik um 250 Millionen Barrel zu erhöhen. Auch bei der Umwandlung von Ecopetrol in eine Aktiengesellschaft bleibt es.

Für Kolumbien ist der Erdölsektor von strategischer Bedeutung. Dank hoher Weltmarktpreise ist er für ein Drittel der Staatseinnahmen und sogar für 55 Prozent der legal erwirtschafteten Devisen verantwortlich. Über die sicheren Reserven von 1,6 Milliarden Barrel hinaus wird das Gesamtpotenzial auf 47 Milliarden Barrel geschätzt. Jährlich werden derzeit knapp 200 Millionen Barrel gefördert – 40 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren. Auch bei den Arbeitsbeziehungen erlaubt es das Verhandlungsergebnis bei Ecopetrol beiden Seiten, das Gesicht zu wahren. Die Regierung hatte den Streik für illegal erklärt und 248 Arbeiter entlassen, darunter die gesamte USO-Führungsspitze. Nun soll ein eigens eingerichtetes Arbeitsgericht über die Entlassungen befinden, außer in den Fällen, in denen sich die Arbeiter mit den ausgehandelten Rentenplänen abfinden lassen. Die Vertragsbedingungen für die Zeitarbeiter klärt eine paritätisch besetzte Kommission.

Erleichterung herrschte schließlich über den für Kolumbien ungewöhnlich friedlichen Verlauf des Arbeitskampfs, bei dem die katholische Kirche vermittelt hatte. Der frühere Energieminister Ramiro Valencia lobte den „neuen Stil“ der geprägt. „Wir sind in der Lage, einen politischen Streik zu führen, der nicht in eine Tragödie mündet,“ bestätigte USO-Vorsitzender Alvis: „Ein demokratischer Kampf ist möglich.“ GERHARD DILGER