Fischers Käsefüße

Die neuen Kleider des Außenministers. Eine Stilkritik moderner Freizeitkleidung

Auch der Blick auf die berühmt gewordenen weißen Socken würde einem erspart bleiben

Kaum ist der Sommer ausgebrochen, geht es schon los, dann wird das ästhetische Empfinden auf eine harte Probe gestellt und der schlechte Geschmack läuft Amok. Beliebt sind in dieser Hinsicht der Jogging-Dress, kurze Sporthosen aus satinähnlichem Hochglanzstoff in Himmelblau (igitt!) mit seitlichen Streifen, wurstpellige knallrote Radlerhosen (ächz!) oder – auch nicht schön – die im Fußballsport leider mittlerweile üblichen knielangen Schlabbershorts.

Eine Ausstattung, bei der früher der Blindenhund geknurrt hätte, die aber nicht nur während schweißtreibender sportlicher Tätigkeit, sondern auch ungeniert zu Anlässen getragen wird, bei denen man eigentlich nicht unbedingt auf stachlig behaarte Waden sehen will, zum Beispiel beim Lunch in einem Straßencafé. Und auch der Blick auf die inzwischen schon berühmt gewordenen weißen Socken würde einem gern erspart bleiben, seit sich herumgesprochen hat, dass sie von Männern selbst beim GV nicht ausgezogen werden und deshalb unter dem Begriff „Pornosocken“ eine traurige Berühmtheit erlangt haben.

Aber auch die neuerdings Lastkähnen gleichenden, breitriemigen Sandalen bieten keinen schönen Anblick, noch weniger, wenn die nackten, käsiges Odeur verströmenden Füße eines Außenministers drin stecken, der vor kurzem von der Bunten im so genannten Freizeit-Dress ertappt wurde, ein Vierteiler, der sich aus besagten Latschen, Shorts mit Seitentaschen, XXL-T-Shirt und Baseball-Käppi zusammensetzt. Wer privat gern und freiwillig den Proll aus Neukölln gibt, den ideellen Gesamtspießer, über den sich früher lustig gemacht wurde, dem kann nur mit viel gutem Willen eine geistige Affinität zum Gegenstand seiner einstigen Verachtung abgesprochen werden. Im Freizeit-Dress kommt der Spießer zu sich, darin fühlt er sich wohl, denn dieses Outfit ist die Negation ziviler Umgangsformen, von Höflichkeit, Zurückhaltung, Freundlichkeit, Zuvorkommenheit, es signalisiert Gleichgültigkeit und Aufdringlichkeit.

So herumzulaufen sei streng privat und gehe niemanden etwas an, heißt es, aber gerade im Privaten gibt sich der Mensch, wie er tatsächlich ist, wenn er die Zwänge ablegen kann, denen er als öffentliche Person unterworfen ist. Das verwahrloste Äußere korrespondiert bei Fischer mit dessen geistiger Verfassung, weshalb man leider nur hämisch abwinken kann, wenn dieser Mann von Humanität und Zivilität spricht. Auch wenn er als Politiker die übliche déformation professionelle durchgemacht hat, in der Frage des schlechten Geschmacks ist er ganz der Alte geblieben, und hier trifft er sich wieder mit seinen heutigen Kritikern aus der Linken, denen ja auch keine besonders große Kompetenz in Sachen zivile Umgangsformen zukommt und deren Streit untereinander oft erahnen lässt, was man alles Üble mit seinem Gegner anstellte, hätte man die Macht dazu.

Diese Einstellung geht einher mit dem offen zur Schau getragenen Neid auf gut angezogene Menschen, wie ihn Uli Hoeneß gegenüber David Beckham freien Lauf ließ, nachdem dieser zu Real Madrid wechselte. In Hoeneß, der eine gewisse Ähnlichkeit zu den Produkten seiner Wurstfabrik nicht leugnen kann, rumort ein mittelständisch-spießiger Hass auf alles, was Glanz und Glamour ausstrahlt, weshalb die Bezeichnung „FC Hollywood“ für Bayern München völlig unzutreffend ist, denn die von Hoeneß geschuriegelten Bayern-Profis fallen höchstens durch schlechtes Benehmen auf, nie jedoch durch Stil und Eleganz. Während Beckham sogar barfuß vor die Presse treten kann, ohne seinen Charme einzubüßen, bestechen Kahn und Konsorten mit prolligem Aussehen, sie tragen genau die passende Kleidung für die pöbelnde Arroganz, mit der sie die Öffentlichkeit belästigen, nach dem Motto: Hauptsache schweineteuer, egal wie scheiße es aussieht.

Schon allein aus dem Grund, jede peinliche äußere Ähnlichkeit zu vermeiden, muss man sich heute wieder konservativ kleiden, denn so wie in den Sechzigerjahren Hanns Lothar als das Faktotum Schlemmer in „Eins, zwei, drei“ den dienstbeflissenen Untertan überzeugend nur im knappen Konfirmandenanzug spielen konnte, so ist auch der Freizeitlook von Fischer und Co. die genaue Entsprechung deprimierender Konformität, die für den Verlust jeder Lebensfreude verantwortlich ist.

KLAUS BITTERMANN