kerrys grundsatzrede
: Zum Regieren reicht das nicht

„Endlich!“, jubeln etliche Anhänger des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten John Kerry, nachdem der sich am Donnerstagabend zum ersten Mal grundsätzlich kritisch über die Außenpolitik des Amtsinhabers George W. Bush geäußert hat. Völlig verständnislos hatten viele Demokraten mit ansehen müssen, wie Bush in den Umfragen immer stärker verlor, ohne dass ihr Kandidat irgendwie davon profitieren konnte.

KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Seine Rede mag dazu geeignet sein, Kerry in der Dynamik des US-Wahlkampfs in die Offensive zu bringen. Immerhin spricht er ein paar Dinge aus, die längst jeder weiß: dass die USA ihre Alliierten verschreckt haben, dass sich die Truppen im Irak in einer selbst verschuldeten Malaise befinden, dass Bush gelogen hat. Und so weiter und so fort.

Stefan Heym sagte bei einer solchen Gelegenheit, es sei, als habe jemand „die Fenster aufgestoßen“ – aber das Aussprechen einfacher Wahrheiten ist nur in Diktaturen ein Akt des Widerstands. In einer Demokratie reicht solcherlei noch nicht aus, um eine Alternative anzubieten.

Und so bleibt auch nach Kerrys erster großer außenpolitischer Rede ein dumpfes Gefühl: Noch immer ist George W. Bush das stärkste Argument für John Kerry. Was dieser selbst anbietet, ist eine ausgesprochen schwache Version der Vision. Kerry ist, das spricht aus jedem zweiten Satz, geprägt von dem Wunsch, sich nicht unglaubwürdig zu machen – und das ist bei einem, der als Senator alle wesentlichen Kriegsentscheidungen mitgetragen hat, gar nicht so einfach.

So behauptet Kerry zwar, Diplomatie, Respekt und Werte wieder höher stellen zu wollen als das Militärische, gibt aber in seinen wenigen konkreten Vorschlägen wenig Anhaltspunkte dafür, was denn das bei ihm tatsächlich heißen könnte. Er will es sich mit niemandem verscherzen – und so bleiben seine Aussagen beim kleinsten gemeinsamen Nenner stehen: Alles, was Bush falsch gemacht hat, will ich richtig machen, sagt er. Dolle Sache! Und noch verrückter: Angesichts der katastrophalen Ergebnisse der jetzigen Regierung könnte das als Programm sogar reichen. Jedenfalls um seine Anhänger zu begeistern und aus den schlechten Werten des jetzigen Präsidenten endlich politisches Kapital zu schlagen.

Zum Regieren sind die Vorschläge ein bisschen wenig. Den Rest der Welt, der auf Änderungen hofft, muss Kerry dann überzeugen, wenn er im Weißen Haus sitzt. Bis jetzt schafft er das nicht.

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