piwik no script img

■ BahnkundInnen finden: Es hört sich gut an, aber die tendenzielle Schwerpunktsetzung der Bahn ist immer noch verkehrtDie Macken werden übersehen

betr.: „Bahn spart sich ICE-Wartung“, taz vom 23. 6. 03, „Mit der U-Bahn durch den Thüringer Wald“, taz vom 25. 6. 03, „Mehdorn wechselt seinen Tarifkurs“, „Sieg der Kunden über die Manager“, taz vom 1. 7. 03, „Nie mehr zurückbleiben“, „Die Bahn hat verstanden“, taz vom 3. 7. 03

Zwei schlechte und eine gute Nachricht! Ich kenne viele Leute, die sich lieber gar keine als die neue Bahncard gekauft hatten – und die mit der Rückkehr zum Altbewährten vermutlich wieder mehr Bahn fahren.

Unverantwortlich finde ich dagegen die Einsparungsvorschläge bei der ICE-Wartung. Wie ist das mit nicht erkanntem Materialverschleiß bei Eschede gewesen? Eigentlich sollte man ja im Hinblick darauf eher eine vermehrte Fahrzeugwartung befürworten.

Besonders ärgerlich sind Sparmaßnahmen bei der Sicherheit, wenn andererseits genügend Geld für fragwürdige Großprojekte da ist. Die Bahn sollte wieder ein flächendeckend gutes Netz anbieten – und sich nicht auf einige aufwändige Großstadtverbindungen festlegen. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hat es mal so etwas wie Bahnkultur gegeben. Dazu gehörten auch gute Anschlüsse in die Provinz und schöne Landschaftsausblicke. Das „teuerste Projekt aller Zeiten“ mit seinen vielen geplanten Tunnelanlagen wird viele Reisende eher abschrecken als anziehen. Wer will sich schon als Rohrpost fühlen? Auch hier wäre ein Kurswechsel in der Planung angesagt.

BRIGITTE SCHNEIDER, MICHAEL PFLEGER, Großheselohe

Nun haben alle was zu feiern und übersehen dabei das Wichtigste: Eine geplante Preiserhöhung um zirka 30 Prozent. Herr Mehdorn will, wie alle Bosse der pseudoprivatisierten Staatsbetriebe, den KundInnen und KritikerInnen zeigen, wer der Stärkere ist: Die Annahme der wieder eingeführten Bahncard bleibt „hinter den Erwartungen zurück“, und niemand wird beim endgültigen Abschied noch von Preistreiberei sprechen.

Es kann doch nicht so schwierig sein, ein Angebot, das KundInnen lockt, statt sie zu vertreiben, zu finden. […]

WOLF MOLINARI, Kiefersfelden

Das hört sich jetzt gut an, aber die tendenzielle Schwerpunktsetzung der Bahn ist immer noch verkehrt.

Die schnellste ICE-Verbindung ist ad absurdum geführt, wenn dafür der Anschluss-Regionalexpress nur jede zweite Stunde fährt. Der Zeitvorteil ist auf den Hauptstrecken gegeben, aber die Bahn lässt auf den Nebenstrecken im Service immer noch rapide nach. Die private Konkurrenz wie Connex macht es besser, aber leider ist die noch nicht bundesweit am Zug. Es wäre eine dringliche Aufgabe der Landesregierungen, hier endlich das Monopol der Bundesbahn zu brechen.

In Baden-Württemberg wurde eine Zusage der Bahn AG zum Projekt Stuttgart 21, der Tieferlegung und Vertunnelung des Hauptbahnhofs, mit der garantierten Bestellung des Regionalverkehrs für weitere zehn Jahre durch die DBRegio verknüpft – das ist nicht der freie Wettbewerb, das ist Planwirtschaft auf der Schiene! Und solange die Bahn mit Bahntrans eine der größten LKW-Speditionen in Deutschland unterhält, so lange ist die Richtung der Konzernpolitik grundfalsch.

Die Preisreform sollte also auch ein erster Schritt hin zu einer „grünen“ Bahn sein, die ihren Transportauftrag für Personen und Güter endlich wieder ernst nimmt.

CHRISTIANE THEIS, Gärtringen

Jetzt jubeln all die über den „Sieg der Verbraucher“, die sich Mitte Dezember kaum zu einem Wort der Kritik des neuen Preissystems hinreißen konnten. Wie damals werden geflissentlich die Macken übersehen.

Vor allem: Familien- (oder partner-)freundlich ist das reformierte, neue Preissystem nicht mehr. Denn wer künftig zu zweit verreisen will (Kinder spielen preislich keine Rolle), kann höchstens noch 50 Prozent statt bislang bis zu 66 Prozent Ermäßigung gegenüber dem Normalpreis herausholen, weil sich die Rabatte nicht mehr kombinieren lassen. Dafür wird aber die neue Bahncard 50 ein Drittel teurer als die alte BC 50, und etwa 10 mal so teuer wie die alte Familien-Bahncard (die ebenfalls 50 Prozent Ermäßigung bot, wenn man mit einem Kind verreiste).

Gesenkte Rabatte, verteuerte Bahncard – warum freut sich also zum Beispiel der BUND bloß darüber, dass die Bahn nun finanziell so attraktiv sei, wie nie zuvor? Und zückt in den Redaktionsstuben niemand mal den Taschenrechner, bevor so ein begeisterter Artikel über Mehrdorns (vermeintlichen) Rückzug verfasst wird? Die meisten Fehler des neuen Preissystems werden uns erhalten bleiben: Mindestpreise, Wochenendbindung, keine Sparpreise in Regionalzügen. […]

Das reformierte Preissystem bietet entweder volle Flexiblität bei drastisch höheren Preisen oder geminderte Flexibiltät bei ebenfalls drastisch höheren Preisen. Glückwunsch für die Bahn: Sie hat sich von allem das Schlechteste ausgesucht.

BERT HOPPE, Berlin

Schlimm genug, dass schon die Bahn nichts verstanden hat, jedenfalls nicht die Kundenwünsche. Mindestens so ärgerlich, dass offenbar auch die taz nichts verstanden hat.

Denn den größten Kritikpunkt an der Tarifreform – die feste Zugbindung bei den Frühbucherrabatten – hat die Bahn nicht aufgegriffen. Flexibilität? Nein, danke! Und dass man bei den Frühbucherrabatten „unter der Woche für ein Viertel des Normalpreises fahren“ kann, hat die taz exclusiv.

Harald Schmidt hat sich wenigstens kaufen lassen, um für die neuen Bahntarife zu werben …

REINHARD SCHÜSSLER, Oberhausen

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen