Blair rehabilitiert

Ausschuss des britischen Unterhauses legt Bericht zum Streit um Irak-Berichterstattung vor. Er übt auch Kritik an Geheimdienstberichten

Die Regierung hat die Glaubwürdigkeit ihrer Argumentation für den Krieg untergraben

von RALF SOTSCHECK

Das war knapp. Mit nur einer Stimme Mehrheit hat der außenpolitische Ausschuss des britischen Unterhauses Premierminister Tony Blair und Pressesprecher Alastair Campbell von dem Vorwurf freigesprochen, ein Geheimdienstpapier verändert zu haben, um die vom Irak ausgehende Gefahr zu übertreiben. Es war die Stimme des Vorsitzenden Donald Anderson, eines Labour-Abgeordneten, die den Ausschlag gab. Ein anderer Labour-Abgeordneter, Andrew Macinlay, hatte in dem elfköpfigen Ausschuss mit den vier Oppositionsabgeordneten gestimmt.

Der Ausschuss befasste sich vor allem mit einem Geheimdienstbericht vom September vorigen Jahres. Die BBC hatte behauptet, Blair und Campbell hätten Druck auf die Spitzelorganisationen ausgeübt, eine Einschätzung in ihren Bericht aufzunehmen, wonach der Irak seine Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten einsatzbereit haben könnte. Angeblich wollten die Geheimdienste diese Behauptung nicht veröffentlichen, da sie nur auf einer einzigen Quelle beruhte und daher nicht zuverlässig war. Doch Blairs Regierung, die die Nation und ihre eigenen Hinterbänkler auf dem Parteitag im Oktober von der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak überzeugen musste, habe darauf bestanden.

„Wir stellen auf der Grundlage der uns vorliegenden Beweise fest“, heißt es im Bericht des Ausschusses, „dass Alastair Campbell weder unrechtmäßigen Einfluss auf die Formulierung des September-Dossiers ausgeübt noch es versucht hat.“ Dieser Satz ist für Blair und Campbell entscheidend. Bei einem anderen Ergebnis hätte zumindest Campbell gehen müssen.

In anderen Punkten ist der Bericht jedoch äußerst kritisch. Das Geheimdienstpapier sei wesentlich unvorsichtiger formuliert, als es üblich sei, stellten die Abgeordneten fest. In Zukunft solle man bitte die gewohnte Zurückhaltung üben. An einem Februar-Dossier ließen die Abgeordneten kein gutes Haar. Die Regierung hatte ein über zehn Jahre altes Papier eines US-Studenten über den Irak als Erkenntnis der britischen Geheimdienste ausgegeben. „Das Feburar-Dossier war fast komplett kontraproduktiv“, stellte der Ausschuss fest. „Die Regierung hat dadurch die Glaubwürdigkeit ihrer Argumentation für den Krieg untergraben. Es kann nicht akzeptiert werden, dass die Regierung ein Plagiat veröffentlicht und Teile davon verändert, ohne die Veränderungen zu kennzeichnen, ohne den Autor zu nennen oder ihn um Erlaubnis zu fragen.“ Darüber hinaus glaubt der Ausschuss, dass die Diskussionen über das Papier so lange anhalten werden, bis Beweise für Saddams Massenvernichtungswaffen vorliegen.

Daran besteht kein Zweifel. Blair und Campbell fühlen sich rehabilitiert und verlangen von der BBC, die Behauptung über gefälschte Geheimdienstpapiere zurückzunehmen. Blair sagte in einem Interview mit dem Observer, dass es keinen schwereren Vorwurf gegen einen Premierminister geben könne. „Und dieser Vorwurf ist falsch“, fügte er hinzu. „Ich bin überrascht, dass die BBC immer noch behauptet, sie habe Recht.“

Genau das tut die BBC jedoch. Der Aufsichtsrat des Staatsfunks verlangte am Sonntag von der Regierung, ihre Anschuldigung zurückzunehmen, der Sender habe eine Antikriegsberichterstattung betrieben. Er verteidigte außerdem den Reporter Andrew Gilligan, der eine ungenannte Geheimdienstquelle in seinem Bericht über die Einmischung der Regierung zitiert hatte. Richard Sambrook, der Nachrichtenchef der BBC, hatte seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, dass sich der Aufsichtsrat nicht hinter den Reporter stelle. „Wir sind davon überzeugt, dass die Journalisten der BBC stets unparteiisch und akkurat zu berichten versucht haben“, heißt es in der Erklärung.

So deutlich hat der Aufsichtsrat noch nie Stellung genommen, ist er doch auch für Beschwerden gegen die BBC zuständig. Eine solche Beschwerde kann sich die Regierung nun sparen, da der Aufsichtsrat das Urteil bereits vorweggenommen hat. In einer Presseerklärung der Regierung heißt es, sie sei enttäuscht, dass die BBC weiterhin etwas verteidige, was nicht zu verteidigen sei.

Blairs ehemaliger Außenminister Robin Cook stellte sich dagegen auf die Seite der BBC. „Campbell hat großartige Arbeit in den vergangenen zwei Wochen geleistet“, lästerte er. „Er hat es geschafft, die halbe Medienlandschaft davon zu überzeugen, dass es bei der Untersuchung des Ausschusses um die Gründe für den Krieg mit Andrew Gilligan ging und nicht um die Gründe für den Krieg gegen den Irak.“

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