Hoffnung macht nur ein EU-weiter New Deal

EU-Kommission senkt Konjunkturprognose. Zwei Drittel aller europäischen Unternehmen wollen Stellen streichen

BERLIN taz ■ Von wegen, alles wird gut. Zuerst einmal wird alles immer schlimmer. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung lässt weiterhin auf sich warten. Zwar erklärte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) just gestern, die so genannten Frühindikatoren hätten angezogen und die „Konjunkturaussichten erhellt“. Parallel dazu verkündeten aber die Forschungsabteilungen großer Investmentbanken, dass viele Unternehmen ihre Stellenstreichungen derzeit erst einmal forcierten – Aussichten hin oder her. Denn wie sehr auf Konjunkturprognosen zu setzen ist, hatte am Wochenende die Europäische Kommission demonstriert. EU-Währungskommissar Pedro Solbes senkte einmal mehr die Wachstumsvorhersage für die Euro-Zone – dieses Mal auf unter 1 Prozent. „Es könnten 0,7 werden“, sagte er, „je nachdem wie das dritte und vierte Quartal verlaufen.“

Die letzte Revision hatte es erst im April gegeben – von 1,8 auf 1,0 Prozent. „Wir haben damals vor positiven und negativen Risiken gewarnt“, so Solbes. „Die negativen sind eingetreten.“ Damit verwies er vor allem auf den Euro, der zuletzt Rekordmarken gegenüber dem Dollar erreicht und damit die Ausfuhr geschwächt hatte. Zudem entwickelten sich die deutsche und die italienische Wirtschaft so schlecht, dass das Wachstum in Frankreich und Spanien nur knapp zum Ausgleich reichte.

In Brüssel hofft man nun auf das große Konjunkturprogramm, das die italienische Ratspräsidentschaft schon mit dem so genannten New Deal vergleicht, mit dem die USA ihre Wirtschaft nach der großen Depression der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts angeschoben hatte. Der Plan sieht vor, rund 70 Milliarden Euro jährlich über die Europäische Investitionsbank zu beschaffen und damit vor allem transeuropäische Projekte wie den Ausbau von Verkehrs-, aber auch technischen Netzen voranzutreiben.

Die Wirtschaft könnte den Anschub durch die öffentlichen Aufträge brauchen. Einer Umfrage der Investmentbank Morgan Stanley zufolge wollen mehr als zwei Drittel aller europäischen Kapitalgesellschaften weiter Stellen abbauen. Die Credit Suisse First Boston nannte die Zahl von 24.000 Arbeitsplätzen. Dabei trifft es neben den aktuellen Krisenbranchen vor allem die Bereiche Technologie, Telekommunikation und Medien.

Auch auf die Europäische Zentralbank (EZB) richten sich Hoffnungen. Zwar hat EZB-Präsident Wim Duisenberg gerade erst erklärt, der Zins „passt zur absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung“. Geldpolitikexperten, wie beispielsweise der so genannte EZB-Schattenrat, den Handelsblatt und Wall Street Journal einberufen haben, um die EZB-Politik kritisch zu begleiten, drängen aber vor der turnusmäßigen Ratsitzung am Donnerstag auf eine weitere Senkung. BEATE WILLMS