Liebe und Beispiel

betr.: „Gefährlichste Revolution der 68er: der Putzdienst“, taz vom 14. 1. 09

Als 1945 ein grauenvolles Terrorregime in Deutschland besiegt worden war, wäre doch die dringendste Frage gewesen: Wie verhindern wir, dass Menschen wieder so werden, dass die Akzeptanz eines solchen Regimes möglich wird? Man hätte auf die pädagogischen Reformbemühungen der Weimarer Jahre zurückgreifen können; aber man hat lieber „am Altbewährten festgehalten“, wie der Artikel ja auch am Beispiel Johanna Haarer zeigt. Ich bin 1940 geboren und habe nur zu deutlich erfahren, dass keinerlei pädagogischer Aufbruch gewagt wurde in den Adenauer-Jahren. Und dann standen unsere Jahrgänge da als junge Eltern – 1968 bekam ich mein erstes Kind – und wussten nur, dass wir es anders machen wollten, dringend ganz anders, aber wie wir es machen könnten, das wussten wir nicht. Uns fehlten die Vorbilder, die positiven Muster. Bücher wie die von Neill oder auch Gordons „Familienkonferenz“, 1971 auf Deutsch erschienen, waren da Offenbarungen für uns. 68 bedeutete, wie ich es erlebt habe, ein Zerbrechen einer schrecklichen Verkrustung, und in den Jahren danach konnte man die guten Ideen von den Bäumen pflücken, wenn man denn wollte.

Ich denke nur an die von Kratzmeier in Heidelberg erprobte Zweisprachigkeit für Dreijährige im Kindergarten, dreißig Jahre brauchte es dann noch, bis dies Wissen in Deutschland Allgemeingut wurde. Und wenn man die derzeitige Schuldiskussion verfolgt, eine Diskussion, die vor sechzig Jahren hätte geführt werden müssen, sieht man, dass der tragende Gedanke eines menschenwürdigen Umgangs mit dem Kind, nämlich der Respekt vor seiner Persönlichkeit und die Stärkung seiner ihm von der Natur (Spiegelneuronen!) mitgegebenen Fähigkeit zu Einfühlung und Mitgefühl, beileibe noch keine Selbstverständlichkeit in Elternhaus und Schule ist. Also müssen wir an dem, was 1945 versäumt und 1968 wenigstens angestoßen und ermöglicht wurde, unverdrossen weiterarbeiten. Der Text nennt das Entscheidende: Liebe und Beispiel vonseiten der Erwachsenen. ELISABETH KASCH, Reinbek