EZB will Verfassung zementieren

Welche Rolle spielt die Preisstabilität? Wie der EU-Verfassungsvertrag formuliert wird, deutet die Richtung der zukünftigen Geldpolitik an. Endspurt in Brüssel

BRÜSSEL taz ■ Der Countdown läuft. Am 14. Juni wollen sich die EU-Außenminister ein letztes Mal über den Verfassungsvertrag beugen. Alle kniffligen Details sollen spätestens zu diesem Zeitpunkt vereinbart werden, um die Chefs beim Gipfeltreffen zwei Tage später damit nicht zu belasten. Denn die Erfahrung zeigt, dass kuriose Ergebnisse zustande kommen können, wenn man Präsidenten und Premiers die Arbeit der Wirtschaftsexperten und Juristen überlässt.

Natürlich werden für die künftigen Entscheidungsprozesse in der erweiterten EU finanzpolitische Fragen, das Budgetrecht und die künftige Rolle der Europäischen Zentralbank mindestens so bedeutsam sein wie die Kompetenzen des EU-Außenministers oder die Stimmengewichtung im Rat. Bis jetzt sind in wichtigen Teilbereichen die Vorgaben des EU-Konvents unverändert geblieben. Gestritten wurde beim Sondertreffen der Außenminister vergangenen Montag nur noch darüber, wer beim Haushaltsverfahren das letzte Wort bekommt und welchen Stellenwert die Preisstabilität im Verfassungsvertrag haben soll.

Der Sozialdemokrat Klaus Hänsch war im Reformkonvent für Wirtschafts- und Sozialpolitik zuständig und vertritt nun das Europaparlament in der Schlussrunde, der Regierungskonferenz. Die Debatte, ob Preisstabilität als vorrangiges Ziel der Union in den Artikel 3 aufgenommen werden soll, amüsiert den erfahrenen EU-Politiker: „Preisstabilität wird ja schon als zentrale Aufgabe der Europäischen Zentralbank weiter hinten im Vertrag erwähnt. Es in die Liste der Unionsziele aufzunehmen bedeutet, einen Gummizug zusätzlich zu Gürtel und Hosenträger einzuziehen.“ Die Anregung für den „Gummizug“ stammt von der Europäischen Zentralbank selbst. In einer Stellungnahme zum Ergebnis des Verfassungskonvents schlägt sie vor, die Formulierung aus dem Amsterdamer Vertrag zu übernehmen, wonach „nichtinflationäres Wachstum“ zu den vorrangigen Aufgaben der Union gehört – direkt neben der Gleichstellung von Männern und Frauen und dem Umweltschutz.

Die mühsam ausgehandelten Kompromisse in der seit einem Jahr diskutierenden Regierungskonferenz führen dazu, dass wieder Einstimmigkeit notwendig ist und die Texte wieder länger und komplizierter werden. Das zeigt sich zum Beispiel beim Haushaltsverfahren. Die Parlamentsvertreter Elmar Brok von den Konservativen und Klaus Hänsch haben in langen Gesprächen lediglich erreicht, dass die Position des EU-Parlaments in dieser wichtigen Frage nicht geschwächt wird. Der Vorschlag einiger Nettozahler, bei einem Dissens zwischen Rat und Parlament den billigeren Vorschlag umzusetzen, ist vom Tisch. Stattdessen gilt nun, dass nach einem gescheiterten Vermittlungsverfahren orientiert am Haushalt des Vorjahres so lange gewirtschaftet wird, bis eine Einigung zustande kommt.

Die mehrjährige Finanzplanung, die bislang gar nicht Teil der Verträge ist, soll nach In-Kraft-Treten der neuen Verfassung noch ein letztes Mal einstimmig vom Rat beschlossen werden. Danach gilt qualifizierte Mehrheit, und das Parlament entscheidet mit. Sollten die Regierungschefs diesen Kompromiss beibehalten, würde der Gipfel-Kuhhandel entschärft.

Da in der Vergangenheit jedes Land mit seinem Veto die finanzielle Vorausschau blockieren konnte, mussten Wackelkandidaten mit der Aussicht auf einen warmen Geldregen aus Brüssel besänftigt werden.

DANIELA WEINGÄRTNER