Tunnel am Ende des Lichts

Arbeitslosigkeit: Auch der Sommer bringt keine Entspannung im Norden. Baubranche bildet das verlässliche Schlusslicht. In Schleswig-Holstein wurde die Zahl der Beschäftigten fast halbiert

Der Streik ist beendet, die Arbeitsplätze verschwinden trotzdem

aus HamburgPETER AHRENS

Wenn Hamburgs Arbeitsamtsdirektor Rolf Steil auf die Branchen angesprochen wird, die ihm am meisten Sorgen machen, hat er seit Monaten drei Standardantworten parat: Medien, Werbung, Bau. Zwar sind es zunehmend auch die gut qualifizierten Dienstleister, die für die gestern veröffentlichte Hamburger Juni-Arbeitslosenquote von 9,9 Prozent verantwortlich sind – die Bauwirtschaft bleibt dennoch das verlässliche Branchen-Schlusslicht im Norden.

So hat die Bauwirtschaft in Hamburg und Schleswig-Holstein in den ersten drei Monaten noch einmal tiefe Einbrüche erlitten, obwohl die Geschäftsführung an sich schon im Vorjahr verkündet hatte, dass es an sich nicht mehr schlechter werden konnte. In Hamburg gingen die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um sage und schreibe 27,5 Prozent zurück, der Bundesdurchschnitt liegt bei minus zwölf Prozent. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung: Die Zahl der Bauarbeiter in der Hansestadt reduzierte sich noch einmal um sieben Prozent auf 10.850 Beschäftigte. Noch anderthalb Jahre vorher waren es 12.600 Bauarbeiter in der Stadt gewesen.

Das Projekt „wachsende Stadt“, das CDU-Bürgermeister Ole von Beust zur „Vision“ seiner Amtszeit erhoben und auf das die Bauwirtschaft große Hoffnungen gesetzt hat, stockt. Und der Auftragsschub durch die Olympiakandidatur Hamburgs, den die Baubranche in Kiel und Hamburg erwartet hatte, hat sich mit der gescheiterten Bewerbung der Hansestadt auch erledigt.

In Schleswig-Holstein sieht es nicht besser aus. „Der mehrgeschossige Wohnungsbau ist tot“, sagt der Vorsitzende des Baugewerbeverbandes, Sönke Voss. Öffentliche Aufträge sind aufgrund der Kassenlage des Landes kaum noch zu erhoffen. 25.000 Beschäftigte hat die Branche im nördlichsten Bundesland noch, das entspricht einem Verlust von 16.000 Jobs innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.

Das produzierende Gewerbe liegt in Schleswig-Holstein grundsätzlich danieder, der Beschäftigungsabbau hat dort seinen Höchststand erreicht. Das Paradeunternehmen des Landes, die Mobilfunkfirma Mobilcom mit Sitz im beschaulichen Örtchen Büdelsdorf, krabbelt nach erfolgter Insolvenz zwar langsam wieder in die Gewinnzone, doch 1.850 der ursprünglich 5.500 Arbeitsplätze hat das gekostet. Mobilcom hat sich von seinen UMTS-Lizenzen und der Festnetzsparte trennen müssen, um der völligen Pleite zu entgehen. Ob damit das Ende des Jobabbaus erreicht ist, ist alles andere als sicher. Noch ärger sieht es bei Panasonic in Neumünster aus. Auch das Tochterunternehmen des japanischen Matsushita-Konzerns gehörte jahrelang zu den Vorzeigefirmen des Nordens. Bis die Konzernzentrale beschloss, die Produktion von Autoradios nach Tschechien zu verlagern. 400 Arbeitsplätze im Werk der 70.000-Einwohner-Stadt im Zentrum Schleswig-Holsteins wären verloren.

Die Beschäftigten reagierten mit Arbeitsniederlegungen. Drei Wochen dauerte der Streik, bis sich IG Metall und Firmenleitung in dieser Woche geeinigt haben: Die von der Entlassung betroffenen Mitarbeiter sollen in eine Qualifizierungsgesellschaft überführt werden und Abfindungen erhalten. Die Gewerkschaft spricht von einem „vorzeigbaren Kompromiss“, die Verlagerung der Produktion wird jedoch wie geplant durchgezogen.

Der Streik ist jetzt beendet, die Arbeitsplätze verschwinden trotzdem. In Neumünster bleiben gerade einmal 160 Panasonic-Jobs übrig.