DIE ITALIENISCHE REGIERUNG IST NICHT ERNST ZU NEHMEN
: Komplimente aus Lega-Sicht

Da muss man sich doch sehr wundern. Jahrelang hat Umberto Bossi von der Lega Nord seinen Anhängern erklärt, Berlusconi sei ein übler Mafioso, und jahrelang hat er auf Parteikundgebungen für Stimmung gesorgt mit dem Spruch, die italienische Fahne gehöre „in den Lokus“. Aber bitte nur in einen norditalienischen – von Fremden hört auch die Lega nicht gern hässliche Töne über Italien. Das gab auch Staatssekretär Stefano Stefani, ein Lega-Mann, zu erkennen, der eine anthropologische Abhandlung über Berlusconis „Kapo“ Martin Schulz als Inbegriff der rülpsenden, saufenden, Kartoffeln fressenden dummen Deutschen verfasste.

Wenn sich Politiker mit ihresgleichen von auswärts anlegen, wollen sie gern ihr Volk mobilisieren, indem sie fiese Charakterzüge an fremden Völkerschaften entdecken. Berlusconis Nazi-Nummer lag ganz auf dieser Linie – einer Linie, die bei der Lega Parteidoktrin ist. Bloß dass die Lega Nord bisher verachtenswerte Leute mit Vorliebe südlich von Rom suchte – also bei den Arbeitsscheuen, Dieben und Mafiosi. So deutlich pflegte Bossi, als die Lega noch nicht mit Berlusconi regierte, über das Gesocks und seine gleichfalls mafiösen Volksvertreter zu reden, dass er gleich mehrere Prozesse am Hals hatte. Der Kläger: Berlusconi.

Die Klagen sind mittlerweile zurückgezogen, und die Lega rüpelt nach Norden. Nur wohnt Stefanis Vorwürfen ein eigentümlicher Widerspruch inne. Denn in den Bierzelten der Lega Nord gelten fehlende Tischmanieren, Trinkfestigkeit und eher schlichtes Denken nicht als Laster, sondern als Tugend. Stefanis Ausfall: Aus Lega-Sicht war er ein dickes Kompliment. Nur tourismusfördernd war er nicht. Da geben sich die Deutschen seit Jahren Mühe, italienische Leichtigkeit und Lebensart zu lernen, italienischen Chic, italienische Esskultur zu kopieren, um in Verona und Volterra bloß nicht als ungeschlachte Teutonen durchzugehen – und kriegen nur gesagt: Sechs, setzen! Zurück in die Kartoffelklasse! Also Rügen statt Rimini? Wohl kaum. Lieber halten wir es umgekehrt – und verurteilen Herrn Stefani zu vier Wochen leckerem Schweinebraten. MICHAEL BRAUN