Mäanderndes Gedenken

Den Wandel Hamburger Gedenkkultur dokumentieren eine Broschüre und eine Ausstellung. Sie verzeichnen 75 Orte, an denen der Jahre 1933 bis 1945 gedacht wird

Gedenken ist nicht statisch. Es verändert sich mit jedem neu erforschten Detail; manchmal löst auch der zeitliche Abstand vom Geschehen Barrieren. Das gilt insbesondere für den Holocaust, dessen die deutsche Öffentlichkeit erst seit den 1980er Jahren intensiv öffentlich gedenkt. Auch in Hamburg war das so: Zwar gab es auf dem Ohlsdorfer Friedhof seit 1949 ein Mahnmal für die Opfer des Nazi-Regimes, seit 1952 auch für jene des Bombenkriegs. Im übrigen aber herrschte lange Zeit Unwillen gegen öffentliches Gedenken.

Solche Widerstände sind selten geworden, und das Resultat ist offenkundig: 75 Hamburger Orte, an denen der Jahre 1933 bis 1945 gedacht wird, verzeichnet der neu aufgelegte gemeinsame Wegweiser der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und der Landeszentrale für politische Bildung. Anhand von Stadtteil-Karten listet das Heft Mahnmale auf, die teils einzelnen Verfolgten gewidmet sind – etwa dem ersten in Hamburg hingerichteten Zwangsarbeiter –, teils Gruppen wie den Zwangsarbeiterinnen vom Dessauer Ufer. Auch findet sich darin der „Denk-Mal Güterwagen“ der Gesamtschule Winterhude, der an deportierte Lehrerinnen erinnert, sowie Thomas Schüttes „Tisch mit 12 Stühlen“, der die Namen von Widerstandskämpfern trägt.

„Die Initiative zu den meisten Gedenkstätten ging von Privatpersonen oder Vereinen aus“, sagt Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Allerdings habe auch die Kulturbehörde Anfang der 1980er Jahre ein Beschilderungsprogramm aufgelegt, das Orte von Verfolgung und Widerstand kennzeichnet. Zudem, sagt Garbe, gebe es eine Kluft zwischen den 68ern, „die weniger das konkrete Gedenken im Blick hatten als den theoretischen Überbau“, und denen, die seit Ende der 70er konkret Orte kennzeichneten und Zeitzeugen befragten. „Das hat wohl auch damit zu tun“, sagt Garbe, „dass bis dato noch etliche ehemalige Nazis an Schaltstellen saßen.“

Die Entwicklung dieses mäandernden Gedenkens zeichnet auch die heute eröffnende Ausstellung im Rathaus nach, die sich bis zum 13. Februar als erweiterter Auszug der Broschüre versteht. PETRA SCHELLEN

Der Gedenkstätten-Führer ist für 2 Euro bei der Landeszentrale für politische Bildung sowie unter www.hamburg.de/gedenkstätten erhältlich