Vom Stiftungsposten zurück ins Beamtentum

Der designierte neue Bundespräsident Horst Köhler ernennt Michael Jansen zum Chef des Präsidialamtes

Jetzt doch noch, so kurz vor der Pensionierung, zurück in den Staatsdienst. Horst Köhler, der designierte neue Bundespräsident, holte gestern den 63-jährigen Michael Jansen als Chef ins Bundespräsidialamt. Jansen, zum jetzigen Zeitpunkt Vorstandsvorsitzender der Stiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter, betritt damit vertrautes Terrain. Der Präsident und seine zukünftige rechte Hand kennen sich aus vergangenen Bonner Beamtentagen. Köhler bearbeitete damals die Finanzen, Jansen war Karrierediplomat und Schützling Hans-Dietrich Genschers, zeitweilig auch als dessen Bürochef tätig.

1990 wechselte Jansen in die Privatwirtschaft zum Chemiekonzern Degussa, als Generalbevollmächtigter für internationale Konzernaufgaben, quasi als Wirtschaftsdiplomat. Bald waren seine spezifischen Befähigungen gefragt, denn die Degussa, im Dritten Reich mit der Raffinierung von geraubtem Gold, über die Tochter Degesch mit der Herstellung des Todesgases Zyklon B und außerdem mit der Ausbeutung von Sklavenarbeitern beschäftigt, geriet in schwere Wasser. Ihr wie anderen deutschen Großfirmen drohten in den USA Sammelklagen der Opfer, unterstrichen von Boykottdrohungen.

Die Degussa hatte sich viele Jahre auf das Votum ihrer Juristen verlassen, ihr sei rechtlich nicht beizukommen, weder in Deutschland noch in Übersee. Auch war bereits eine Klage ehemaliger Zwangsarbeiter gegen den Konzern von einem amerikanischen Bundesgericht abgewiesen worden. Zu denen, die verstanden, dass es bei der Entschädigungsfrage mit dem Rückzug auf Rechtspositionen nicht getan ist, gehörte Michael Jansen. Er sah mögliche gravierende Folgen für den Absatzmarkt USA, aber auch die politisch-moralische Seite erschloss sich ihm schrittweise, unter anderem im Gespräch mit polnischen ZwangsarbeiterInnen. Folgerichtig nahm er als Vertreter der Degussa seit 1999 an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung der Zwangsarbeiter teil und wurde schließlich, nach dem quälend langsamen internationalen Verhandlungsprozess, der Verabschiedung des Stiftungsgesetzes und der Einrichtung der Bundesstiftung deren Chef, gegen den Widerstand einer Reihe von Opferverbänden, die niemanden aus dem Haus Degussa in dieser Position sehen wollten.

Jansen hatte eine härtere Gangart gegen zahlungsunwillige deutsche Firmen stets abgelehnt, er wollte niemanden „am Pranger“ sehen, vertraute aufs gute Zureden. Das dauerte. Nach seiner Bestellung zum Stiftungschef legte er seine Funktion bei der Degussa nieder und managte die klippenreiche Auszahlung an die nationalen Opferverbände mit Geschick und vor allem mit Schnelligkeit, so dass die Stiftungsgelder schließlich doch noch viele der hochbetagten Opfer wenigstens mit der ersten der beiden Raten erreichte. Die ursprünglichen Bedenken wegen seines anrüchigen Degussa-Jobs sind mittlerweile verstummt.

CHRISTIAN SEMLER