IRANS PRAGMATIKER SETZEN SICH DURCH, DOCH SIE GEHEN NICHT WEIT GENUG
: Seiltanz der moderaten Konservativen

Im Iran haben sich im Lager der Islamisten die Pragmatiker durchgesetzt. Dass zumindest legt das Urteil des obersten iranischen Gerichts nahe, das das Todesurteil gegen den populären Reformer Haschem Aghadschari aufgehoben hat. Im Parlament verfügen die Islamisten über die absolute Mehrheit – nun scheinen die Pragmatiker in ihren Reihen die erste Kraftprobe bestanden zu haben.

Aghadschari gehört zu jenen Frauen und Männern, die einst mit großer Begeisterung und Opferbereitschaft für die Gründung eines islamischen Staates kämpften, heute jedoch eine demokratische und offene Gesellschaft fordern. Er stellt die herrschende Geistlichkeit an den Pranger und wirft ihr vor, sie habe nicht nur Gott und den Glauben, sondern auch die weltliche Macht monopolisiert. Er fordert einen „islamischen Protestantismus“, der sich nicht allein gegen die längst überkommene Tradition richtet, sondern sich weit mehr für die Durchsetzung der Menschenrechte und humanen Grundsätze einsetzen sollte.

Aghadscharis Kritik wird von der überwiegenden Mehrheit der iranischen Bevölkerung geteilt. Die Islamisten haben zwar die absolute Macht im Staat. Es ist aber fraglich, wie lange sie noch gegen das Volk regieren können. Die Aufhebung des Todesurteils zeigt, dass zumindest ein Teil von ihnen den Ernst der Lage begriffen hat. Diese Fraktion der so genannten Moderaten im Lager der Konservativen hat einen schweren Weg vor sich. Sie muss die Fundamentalisten im eigenen Lager in Schranken halten und den Forderungen des Volkes so weit entgegenkommen, dass sie ihre Macht erhält.

Diesen riskanten Seiltanz hofft sie dadurch überstehen zu können, indem sie außenpolitisch Kompromisse schließt, die wirtschaftliche Entwicklung mit Hilfe des enormen Anstiegs der Ölpreise vorantreibt und innenpolitisch die erreichten gesellschaftlichen Freiräume nicht wesentlich einschränkt. Aber eine politische Öffnung nach innen – wie etwa die Freiheit der Presse oder Zulassung von oppositionellen Parteien – wird sie sich nicht leisten können. Und genau deswegen wird sie über kurz oder lang scheitern. BAHMAN NIRUMAND