Blauhelme gegen Fluten, für Frieden

Seit gestern soll eine UN-Friedenstruppe in Haiti für Entwaffnung, Ruhe und Ordnung sorgen – und helfen

PORT-AU-PRINCE taz ■ Die schwere Unwetterkatastrophe in Haiti und der Dominikanischen Republik hat die Vorzeichen für den Beginn der UN-Blauhelmmission für Haiti verändert. „Unsere erste Aufgabe ist es, dem haitianischen Volk zu helfen“, sagte der brasilianische General Augusto Heleno Ribeiro Pereira als Kommandeur der UN-Friedenstruppe, die gestern mit insgesamt 6.700 Soldaten und knapp 1.600 Polizisten die Kontrolle in Haiti übernommen hat. Noch immer werden unzählige Flutopfer in den Bergen um Port-au-Prince vermisst.

Die Präsenz der Blauhelme ist nicht unumstritten, genauso wie schon die Stationierung einer „multinationalen Sicherheitstruppe“ für Diskussionen sorgte, die seit dem forcierten Abtritt des Ex-Staatschefs Jean-Bertrand Aristide für Ruhe und Ordnung sorgen soll. Nach wie vor verweigert die Gemeinschaft der Karibikstaaten (Caricom) der Übergangsregierung von Gérard Latortue die offizielle Anerkennung. Caricom verlangt von den Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Untersuchung über die Umstände des überraschenden Rücktritts Aristides, der behauptet, er sei zur Abdankung gezwungen worden.

Aufgabe der UN-Soldaten soll es sein, die Sicherheitslage zu verbessern und sich an der Entwaffnung der verschiedenen Milizen und bewaffneten Gruppen zu beteiligen, die zum Sturz von Aristide beigetragen haben. Auch den nach wie vor agierenden bewaffneten Anhängern von Aristides Lavalas-Bewegung sollen die Blauhelme ihre Waffen abnehmen. Beide Gruppen aber verweisen auf die Bedrohung durch die jeweils andere.

Trotz der Stationierung der internationalen Truppe, zu der US-Soldaten, Franzosen, Kanadier, Chilenen und Peruaner gehören, ist die Lage auf den Straßen nicht besser geworden – im Gegenteil. Die ausländischen Truppen, die seit Ende Februar dieses Jahres in Land sind, beschränken sich jedoch auf Patrouillenfahrten und die Bewachung wichtiger staatlicher Einrichtungen.

Im Unterschied zum UN-Einsatz in Haiti zwischen 1995 und 2000 sind die Blauhelmsoldaten diesmal mit einem so genannten robusten Mandat ausgestattet. Das heißt, sie dürfen auch von Waffen Gebrauch machen. Das Mandat ist zunächst auf sechs Monate befristet. An der Spitze der UN-Mission zur Stabilisierung Haitis (Minustah) steht der brasilianische General Augusto Heleno Ribeiro Pereiro. Brasilien stellt mit 1.200 Soldaten das größte Kontingent der 14 beteiligten Staaten, gefolgt von Uruguay mit 540 Mann, Argentinien, Kanada und Paraguay.

In Argentinien konnte die Entsendung von 500 Soldaten nur nach heftigen parlamentarischen und öffentlichen Debatten durchgesetzt werden. Auch in Brasilien hat die Teilnahme am UN-Mandat zu heftigen Auseinandersetzungen in Parlament und zu heftigem Widerstand vor allem innerhalb der linken Arbeiterpartei (PT) geführt. Staatspräsident Luis Inácio Lula da Silva hatte für die Teilnahme an der Friedensmission optiert, um künftig Gewicht innerhalb der Vereinten Nationen zu bekommen und vor allem mit dem Blick auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsgremium. Die Linke wirft ihm vor, sich bei den USA anzubiedern und vor allem damit das Tor für weitere Auslandseinsätze wie zum Beispiel in Afghanistan zu öffnen.

Übergangs-Staatspräsident Gérard Latortue begrüßte am Wochenende auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel die Entsendung von Blauhelmsoldaten, besonders die Teilnahme der Staaten aus Südamerika. „Die Haitianier haben keine Probleme mit den lateinamerikanischen Truppen, denn es sind keine Besatzungstruppen“, sagte Latortue.

HANS-ULRICH DILLMANN