Machthunger erschüttert Fiat

Der Tod von Umberto Agnelli, dem Oberhaupt des bedeutendsten Industriekonzerns Italiens, löst einen Machtkampf aus. Dabei hat der Autobauer schon genug Probleme

ROM taz ■ In trauter Eintracht mit der Witwe hatte sich der Fiat-Vorstandsvorsitzende Giuseppe Morchio noch am Freitag präsentiert, als er am Sarg des Fiat-Präsidenten Umberto Agnelli die Beileidsbekundungen der Granden aus Politik und Wirtschaft entgegennahm. Doch schon am Sonntag eskalierte die Nachfolgefrage an der Spitze von Italiens bedeutendstem Industriekonzern zum offenen Machtkampf. Er endete mit dem Rücktritt Morchios. Der erst vor 15 Monaten von außen gerufene Sanierer wollte die absolute Herrschaft – als Präsident und als Aktionär.

Noch aber denken die Agnellis nicht daran, sich aus dem angeschlagenen Unternehmen zurückzuziehen. Der Clan will die Familienlösung, die das weitere Engagement der Erben im Turiner Autohaus unterstreichen soll. Neuer Präsident ist Luca Cordero di Montezemolo; der bisherige Ferrari-Boss arbeitet seit 30 Jahren im Fiat-Konzern und gilt als enger Vertrauter der Agnellis. An seiner Seite wurde zudem Jaki Elkann, 28-jähriger Enkel von Gianni Agnelli, zum Vizepräsidenten gewählt, und auch Andrea Agnelli, der gleichaltrige Sohn Umbertos, rückt in den Vorstand ein. Gestern wurde auch der Vorstandsvorsitzende neu gewählt: Der 52-jährige Italo-Kanadier Sergio Marchionne, der zuletzt die in der Schweiz ansässige Gesellschaft für Unternehmenszertifizierungen Societé Générale de Surveillance saniert hatte, soll nun das Sanierungswerk Morchios fortsetzen.

Auf dem Papier eine starke Lösung: Montezemolo ist einer der angesehensten Manager Italiens; erst letzte Woche trat er die Präsidentschaft des Unternehmerverbandes Confindustria an. Die Börse reagierte denn auch erstaunlich ruhig auf die neuen Turbulenzen an der Fiat-Spitze, die mit der Berufung des fünften Vorstandschefs in zwei Jahren endeten.Trotz ermutigender Zahlen fürs erste Quartal 2004 – die Marktanteile in Europa sind von 7,2 auf 7,8 Prozent gestiegen, die Verluste halbiert – ist die Zukunft des Konzerns weiter ungewiss. Fiat hat zur Sanierung von den größten italienischen Banken ein Darlehen von 3 Milliarden Euro erhalten, das bei Nichtrückzahlung binnen Herbst 2005 in Aktien umgewandelt wird: Die Banken würden damit zum größten Anteilseigner der Fiat vor den Agnellis. Zudem ist die Zukunft der Allianz mit General Motors (GM) unklar. GM hält zehn Prozent an Fiat-Auto, und Fiat hat seinerseits eine Verkaufsoption von weiteren 80 Prozent an GM. Der US-Konzern zeigt jedoch keinerlei Interesse mehr am Erwerb der italienischen Autoschmiede. Zurzeit wird gar über eine Auflösung der Partnerschaft verhandelt.

Die Scheidung aber ließe Fiat ohne strategische Partner. Ob die neue Modelloffensive reicht, dem Konzern das Überleben zu sichern, ist fraglich. Mit 2,5 Millionen pro Jahr produzierten Autos gilt Fiat als zu klein, um dem weltweiten Verdrängungswettbewerb unter Autobauern lange standzuhalten. MICHAEL BRAUN