Gute Chancen auf chaotische Mehrheiten

In Saarbrücken ist nach den nächsten Kommunalwahlen alles denkbar – denn ein SPD-Oberbürgermeister wurde suspendiert und eine schwarz-grüne Koalition brach auseinander. Trotzdem bleiben alle Parteien optimistisch

SAARBRÜCKEN taz ■ Der Trend ist auch an der Saar längst kein Genosse mehr: Am übernächsten Sonntag sind Kommunalwahlen und die Saarbrücker SPD kämpft tapfer, aber wahrscheinlich umsonst.

Der Saarbrücker SPD hängt noch immer die Affäre Hoffmann „wie ein Mühlstein um den Hals“, wie CDU-Spitzenkandidat Martin Karren, 42, hämisch konstatiert. Wegen Untreue wurde der ehemalige SPD-Oberbürgermeister Hajo Hoffmann, 60, schon vor zwei Jahren suspendiert und jetzt im Februar in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt. An dem Imageschaden, so Karren, habe Saarbrücken „bis heute zu leiden“. Zudem wird die „Agenda 2010“ von Bundeskanzler Schröder (SPD) von vielen Sozialdemokraten und ihren Stammwählern als „offene Kampfansage“ begriffen. Nicht wenige trauen der CDU daher zu, in Saarbrücken diesmal die absolute Mehrheit in der Ratsversammlung zu erringen.

Um zu retten, was wohl nicht mehr zu retten ist, redet SPD-Spitzenkandidat Ralf Latz, Jahrgang 1959, jetzt gern vom „Generationswechsel“. Für den stehe er „ganz persönlich“, sagt der gelernte Diplomverwaltungswirt. Ob sich das „rote Gespenst Hoffmann“ (Grüne) bis zum Urnengang noch verscheuchen lässt? Latz glaubt fest daran.

Doch auch die Konkurrenz hat nicht nur Erfolge zu verbuchen. So scheiterte im Herbst die schwarz-grüne Koalition in der Ratsversammlung. Dabei wollten beide Parteien die Stadt „ganz neu aufstellen“ – nach Jahrzehnten der sozialdemokratischen Alleinherrschaft. Der rote Filz sollte aus dem Rathaus entfernt und Saarbrücken ökonomisch und auch ökologisch „fit für das 21. Jahrhundert“ gemacht werden, wie es bei der Union pathetisch hieß. Dass beide Parteien ganz profan an der Umgestaltung des Beethovenplatzes – Park (Grüne) oder Parkplatz (CDU) – gescheitert sind, wird von der SPD heute gerne als „Treppenwitz der Geschichte“ bezeichnet. Im Stadtrat wird seitdem mit wechselnden Mehrheiten agiert; für alle Parteien „keine Lösung auf Dauer“.

Die Kommunalwahl am 13. Juni ist ohnehin nur ein Vorlauf für die Landtagswahl im Herbst – bei der in Saarbrücken zeitgleich auch der Oberbürgermeister gewählt wird. „Wer am übernächsten Sonntag am besten abschneidet, kann anschließend auch seinen Oberbürgermeisterkandidaten am besten positionieren“, sagt Martin Karren von der Union. Die CDU schickt ihren Staatssekretär im saarländischen Sozialministerium ins Rennen, doch wird Josef Hecken, 45, auch von Parteifreunden als „blass“ apostrophiert. Die Grünen haben Kajo Breuer, 55, nominiert. Er glaubt an seine Außenseiterchance, kann er doch politische Führungserfahrung vorweisen. Von der Ratsversammlung zum Bürgermeister gewählt, hat er den suspendierten Oberbürgermeister Hoffmann in den letzten zwei Jahren vertreten. Die Sozialdemokraten starten mit ihrer Sozialdezernentin Charlotte Britz, 46, in die OB-Wahl.

Nach den Kommunalwahlen wird die Koalitionsfrage wieder spannend: Kommt es zu einer Neuauflage der gescheiterten schwarz-grünen Koalition? Oder schmieden CDU und SPD eine große Koalition wegen der prekären Haushaltslage und der Übereinstimmung in Sicherheits- und Sauberkeitsfragen – das Wahlkampfthema Nummer eins? Oder schafft gar die FDP den Sprung ins Rathaus und steht dann für eine „bürgerliche Koalition“ (Karren) zur Verfügung?

Karren jedenfalls glaubt, nach dem 13. Juni wenigstens der stärksten Stadtratsfraktion vorstehen zu können; er will dann „mit allen anderen Parteien sprechen und die Schnittmengen ausloten“. Die Grünen warnten auf ihrem Kommunalwahlfest an Pfingstmontag schon einmal von der „Gefahr der großen Koalition“, um ihre Stammwähler zu mobilisieren. Die extremste denkbare Variante wäre: Nach den Kommunalwahlen findet sich eine große Koalition – und die Oberbürgermeisterwahlen im Herbst gewinnt der grüne Breuer. Dann wird es in Saarbrücken wieder heißen: „Rien ne va plus.“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT