Fläschchen stempeln

Blühende Listen Europas (3): Schwedens Alkohol-Partei. Ihr Programm: Kontrolle des privaten Alkohol-Konsums

Die Partei „Motbokspartiet“ möchte in Schweden die Zeit fünfzig Jahre zurückdrehen. In der Schar der eher zweifelhaften Parteien dieser Europawahl ist sie – anders als die auch im Norden offenbar nie aufgebenden neofaschistischen Braunen und linkssektiererischen ML-Grüppchen – ein wahres Unikum.

Das „Motbok“, nach dem sich die Partei benannt hat, war ein Kontrollbuch, mit dem der Staat im Land der Schluckelche den Alkoholeinkauf von 1917 bis 1955 streng reguliert hatte. Jedes im Alkoholladen gekaufte Fläschchen wurde eingestempelt. War die individuell zugeteilte Monatsration ausgeschöpft, hieß es: Schluss mit dem Hochprozentigen. Wobei nur derjenige, welcher die erforderliche sittliche Reife besaß, das ebenso begehrte wie verfluchte „Motbok“ überhaupt bekam. Verheiratete (!) Frauen und Obdachlose beispielweise durften gar nicht erst einen Antrag stellen. Sie waren von vornherein aufs Schwarzgebrannte angewiesen.

Nun mögen sich die SchwedInnen nach vielem zurücksehnen. Das Motbok wird aber wohl kaum eine ausreichende WählerInnenschar mobilisieren, um die Partei über die 4-Prozent-Hürde springen zu lassen. Abgesehen davon, dass diese alkoholpolitische Frage mit dem EU-Parlament natürlich rein gar nichts zu tun hat.

Womit es aber auch die in fast allen skandinavischen und baltischen EU-Ländern antretenden Parteien, von „Vikingapartiet“ bis „Eiroskeptiki“, nicht so genau nehmen. Sie fordern einzig und allein einen Austritt des jeweiligen Landes aus der EU. Immerhin auf dem richtigen Spielfeld eingelaufen ist dabei die schwedische Partei namens „Für einen EU-Super-Staat“, die genau dafür kämpft. Und mit „Türkei – Nein! Russland – Ja!“ für die nächste Erweiterungsrunde Vorgaben setzen will. Wogegen die „EU-kritische Weihnachtsmann-Partei“ zwar leider nicht für mehr Geschenke, aber immerhin „Für das Recht von Kindern und Tieren“ zu arbeiten verspricht.

REINHARD WOLFF